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Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition)

Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition)

Titel: Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geert Mak
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Queen Anne’s War genannt. Natürlich ging es in Nordamerika weniger um eine Thronfolge im fernen Europa als um die künftige Aufteilung des neuen Kontinents zwischen Briten und Franzosen. An diesem Krieg waren auch einige Indianervölker beteiligt, teils auf britischer, teils auf französischer Seite, außerdem spanische Kolonisten, unter anderem in Florida.
    Letztlich besiegelte dieser große internationale Konflikt auch das Schicksal von Elisabeth Corse und ihren beiden Kindern James und Elisabeth – die vermutlich die Zusammenhänge gar nicht kannten. Denn es waren französische Milizionäre, die an jenem berüchtigten Tag im Februar des Jahres 1704 den Überfall auf das englische Deerfield unternahmen; unterstützt wurden sie von zwei- bis dreihundert Pocumtuc, die in ihre alten Wohngebiete zurückkehren wollten; der französisch-englische Konflikt schien dafür eine Gelegenheit zu bieten.
    An diesem Tag lag der Schnee an manchen Stellen so hoch, dass die Angreifer einfach über die Palisaden hinübergleiten konnten. Mit »schauerlichem Brüllen und Heulen«, berichtete Pfarrer John Williams später, stürzten sie sich in aller Frühe »wie eine Flutwelle« auf die noch schlafende Siedlung. Innerhalb weniger Stunden wurden 44 der Bewohner ermordet, 25 davon waren Kinder, darunter zwei von John Williams, der sechsjährige John und die sechs Wochen alte Jerusha. Auch das schwarze Dienstmädchen Parthena wurde umgebracht, der Rest der Familie gefangen genommen. Insgesamt verschleppten die Angreifer 109 Einwohner; auf dem beschwerlichen, wochenlangen Marsch zu dem über dreihundert Meilen entfernten Ziel im späteren Kanada kamen zwanzig von ihnen zu Tode, die meisten davon waren erschlagen worden, wenn sie nicht mehr weiterkonnten. Die Frau von Pfarrer Williams, die sich gerade erst von der Geburt Jerushas erholt hatte, war eines der ersten Opfer – ihren Grabstein habe ich auf dem Friedhof gefunden. Sie wurde von einem Mohawk erschlagen, als sie beim Überqueren eines zugefrorenen Flusses gestürzt war. Elisabeth Corse wird es vermutlich nicht besser ergangen sein.
    Pfarrer Williams selbst durfte nach schwierigen Verhandlungen in seinen Heimatort zurückkehren. Seine zehnjährige Tochter Eunice hatte es in der Zwischenzeit zu einer Missionsstation der Jesuiten südlich von Montréal verschlagen, wo sie von einer katholischen Mohawkfamilie adoptiert worden war; sie hatte den Platz einer an den Pocken verstorbenen Tochter eingenommen. Nach seiner Freilassung bemühte sich ihr Vater, mit ihr in Verbindung zu treten, doch die Franzosen lehnten es ab, sie zurückkehren zu lassen, schließlich sei sie nun ein Mohawkkind. Ein Vermittler schrieb im Februar 1707: »Unsere Kundschafter […] haben Mr. Williams’ Tochter gesehen […] Sie erfreut sich guter Gesundheit, doch schien ihr nicht an einer Rückkehr gelegen zu sein, ebenso wenig waren die Indianer geneigt, sie gehen zu lassen.«
    Eunice bekehrte sich zum Katholizismus, änderte ihren Namen 1710 anlässlich ihrer Neutaufe in Marguerite, heiratete 1716 einen angesehenen Mohawk namens François-Xavier Arosen, bekam drei Kinder und verbrachte den Rest ihres sehr langen Lebens unter dem Mohawknamen Kanenstenhawi Arosen. Sie blieb aber in Verbindung mit ihrem Vater und ihrem zweiten Bruder, die sie vergeblich zur Rückkehr zu bewegen versuchten. Dreimal hat sie ihre Verwandten in Massachusetts sogar besucht, das erste Mal 1740; jede dieser Reisen unternahm sie außer mit einem Führer auch mit einem Dolmetscher, weil sie und ihre Familie nur noch Mohawk und Französisch sprachen. Sie starb 1785 im Alter von neunundachtzig Jahren.
    Auch Elisabeth Corses Tochter blieb in Kanada. Der Halbsatz and never came back sagt nämlich nur die halbe Wahrheit. In frankokanadischen Archiven hat Elisabeth junior, bei ihrer Verschleppung sechs Jahre alt, eine interessante Spur hinterlassen. Anders als der Gedenkstein vermuten lässt, starb sie erst 1766 im Alter von achtundsechzig Jahren. Sie heiratete zweimal und hatte ein ereignisreiches Leben.
    Im Jahr 1705 – damals war sie sieben – wurde sie in Montréal als Élisabeth Casse getauft; ein französisches Ehepaar adoptierte sie. Mit sechzehn brachte sie ein uneheliches Kind zur Welt und heiratete noch im gleichen Jahr einen etwa fünfzigjährigen Mann namens Jean Dumontret. Weder Braut noch Bräutigam konnten ihren Namen ins Trauregister schreiben. Sie bekamen acht Kinder, von denen nur zwei Söhne und zwei Töchter das

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