Amerikanische Reise
zweite Schale auf den Rost.
|228| »Kristins Mann hat offenbar großes Vertrauen zu dir«, bemerkt er.
»Wir sind alte Freunde«, sagt Jan.
Der Grill sieht aus wie eine auf den Kopf gestellte Sputnik-Sonde. Vor den Nachbarbungalows qualmt es vereinzelt. Puffende
Rauchzeichen. Die Indianer sind zurückgekehrt.
Das
Heineken
setzt Jan stärker zu, als er erwartet hätte. Er hat sich in den vergangenen Tagen an das schwächere amerikanische Bier gewöhnt.
Der Geruch nach glühenden Kohlen und zischendem Fett weht über das Gelände, und Jan muß an die Grillfeste denken, die zum
festen Inventar eines jeden Sommers gehören und die sich im Gegensatz zu anderen Festen tatsächlich nie ändern. Wahrscheinlich
wird noch in hundert Jahren der Ketchup nicht vernünftig aus der Flasche fließen.
Der Kondensstreifen über Hank ist jetzt nur noch eine schwache weiße Linie, die allmählich zerfließt. Die Dämmerung und ein
aufziehender Wolkenschleier entziehen den umstehenden Kiefern allmählich ihre Farbe. Am Ende der Straße tauchen Ariel und
Kristin auf, die sich unterhalten und langsam näher kommen. Kristin hat Walter nicht erreicht und ihm die Nummer des Bungalows
auf den Anrufbeantworter gesprochen.
»Weißt du, was Kristin erzählt hat?« sagt Ariel zu Hank. »Heute wird ein riesiger Komet auf dem Jupiter einschlagen.«
Hank spritzt Spiritus auf die Kohlen und nimmt eine Streichholzschachtel zur Hand. Er nickt: »Es soll ein Feuerwerk geben«,
sagt er und wirft ein brennendes Streichholz in den Grill. Mit einer dumpfen Explosion beginnt eine blaue Flamme über den
Kohlen zu lodern.
Hank hat zwei Flaschen Whiskey. Kristin setzt sich neben |229| ihn und unterhält sich mit ihm auf englisch, während Jan mit Ariel deutsch redet. Kristin lacht regelmäßig über Bemerkungen
Hanks, die Jan nicht versteht. Ariel erklärt ihm währenddessen, daß ihr die amerikanische Gesellschaft zu prüde ist.
Nach dem vierten oder fünften Whiskey lehnt sich Kristin an Hank und legt den Kopf auf seine Schultern. Jan ist eifersüchtig
und wundert sich, daß Ariel sich an dem Flirt ihres Mannes nicht stört. Statt dessen rückt sie näher zu Jan und stützt ihre
nackten Füße auf seinen Oberschenkel. Ihre Zehnägel sind wie ihre Fingernägel brüchig lackiert. Hank öffnet die zweite Flasche
Whiskey und gibt sie Jan, der Ariel einschenkt. Sie beugt sich vor und läßt ihn ihre Brüste sehen. Jan stellt die Flasche
auf den Tisch und sieht Hank kurz ins Gesicht. Er hat einmal gehört, die Eskimos böten dem Gast ihre Frau an. Hank und Ariel,
denkt Jan, scheinen eher die zeitgemäße Variante zu praktizieren, Partnertausch – der allerdings Jan zu einer Art Betrüger
werden ließe. Er kann nicht tauschen, was ihm nicht gehört.
Es beginnt zu nieseln.
Kristin ist jetzt wirklich betrunken und lacht und kichert über Hank. »Wußtet ihr schon«, sagt er auf deutsch, »warum die
Erde immer wärmer wird? Es sind die Rinder. Es gab noch nie so viele Rinder auf der Erde wie jetzt, eine Milliarde oder zwei.
Und diese Rinder – es ist wahr – furzen den ganzen Tag lang, weil Gras so schwer verdaulich ist. Und in ihren Fürzen ist irgendein
Gas, das die Ozonschicht kaputt macht und, weiß der Teufel, was sonst noch. Jedenfalls wird es dadurch immer wärmer. Man stelle
sich das vor: Wir ersticken eines Tages an Rinderfürzen!«
Kristin findet das komisch und läßt sich von Hank eingießen. Sie lacht und verschüttet durch eine ruckartige |230| Armbewegung den Whiskey gleich wieder. Hank füllt nach. Je mehr sich Kristin gegen ihn lehnt, um so mehr schieben sich die
weißen, vom leichten Nieselregen feucht gewordenen Stoffbahnen ihres nur zur Hälfte geknöpften Hemdes auseinander. Hank sieht
ihr ab und an in den Ausschnitt.
Ariel sitzt jetzt fast auf Jans Schoß. »Wußtet ihr, daß der Mensch von Natur aus polygam ist? Es wird durch die Gene gesteuert,
hat man herausgefunden.« Dabei sieht sie Jan an, der längst verstanden hat.
In der fahlen Beleuchtung der Campinglaterne sehen die Reste von Jans mit Ketchup bekleckertem Kotelett aus wie ein frisch
gerissenes Stück Fleisch. Er trinkt seinen Whiskey und läßt die Flüssigkeit einen Moment im Mund ruhen. Vanillearoma breitet
sich auf seiner Zunge aus. Jan sieht in den Nachthimmel,
Shoemaker-Levi
geht ihm durch den Kopf, der ungefähr jetzt seinen Auftritt haben müßte. Die Astronomen hängen an ihren Teleskopen wie Voyeure,
die nicht
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