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Amnesie - Robotham, M: Amnesie - Lost

Amnesie - Robotham, M: Amnesie - Lost

Titel: Amnesie - Robotham, M: Amnesie - Lost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Robotham
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saubere Amputation durch ein Hochgeschwindigkeitsprojektil. Ich lasse mich wieder zu Boden sinken und lande schwer auf dem Deck.

    Der Schütze muss irgendwo hoch oben auf einer Brücke oder einem Gebäude stehen. Jetzt zielt er auf die Motoren oder den Tank. Die Strömung wendet das Ruder, und das Boot treibt langsam davon. Bald sind wir außer Reichweite.
    Ich sauge am Stumpf meines fehlenden Fingers. Überraschenderweise blutet er kaum. Wo ist Mickey? War sie in dem Rohr? Ist sie unter Deck? Ich kann sie nicht zurücklassen.
    Ich höre ein weiteres Geräusch, einen anderen Motor. Den Rücken an die Wand gepresst, stemme ich mich wieder hoch und spähe durch das zersplitterte Bullauge. Ich kann keinerlei Navigationslampen sehen, aber deutlich die Umrisse eines Bootes. Im Bug steht ein Mann mit einer Pistole.
    Ich kann entweder hier bleiben oder mein Glück dem Fluss anvertrauen. Die Entscheidung kostet mich nicht mehr als den Bruchteil einer Sekunde.
    Dann sehe ich Kirsten unter einer Plane am Bug, nicht ihr Gesicht, sondern nur die Umrisse ihres Körpers, als sie aufstehen will und wieder hinfällt. Sie versucht es erneut und rollt sich auf die Seite. Ich höre ein Platschen, schreiende Männerstimmen und den Einschlag von Kugeln im Wasser.
    Das Boot kommt näher. Ich habe ein gesundes Bein und ein leckes. Ich stoße mich von der Wand ab, mache zwei taumelnde Schritte und rolle mich über die Reling. Die Kälte trifft mich wie ein Schock. Ich weiß nicht, warum, denn eigentlich bin ich sowieso nass.
    Mit dem guten Bein paddele ich, und mit den Armen rudere ich, und so schwimme ich in die Dunkelheit, wo ich entweder ertrinken oder verbluten werde. Soll der Fluss entscheiden.

28
    Joe hält mich fest. Langsam gewöhne ich mich an sein Gesicht. Er legt meine Arme über seine Schultern und stützt mich.
    »Los, hauen wir ab.«
    »Ich habe mich erinnert.«
    »Ja, das haben Sie.«
    »Was ist mit Mickey?«
    »Sie ist nicht hier. Wir werden sie finden.«
    Ich klettere aus dem Abfluss, und wir humpeln über den Parkplatz. Ein Teenagerpärchen hat seinen Wagen weit weg von der Laterne geparkt. Ich frage mich, was sie von den beiden Männern mittleren Alters denken, die Arm in Arm über den Platz stolpern. Halten sie uns für Betrunkene oder für Liebhaber? Mir ist es längst egal.
    Ich habe mich erinnert. Ich habe gewartet und gehofft, dass es passiert. Und ich hatte Angst davor. Was, wenn ich jemanden erschossen hätte? Was, wenn ich Mickey in den Armen gehalten und sie dann im Fluss verloren hätte? Ich habe den Albtraum geträumt, weil ich keine Wahrheit hatte.
    Es ist beinahe zehn Uhr, als wir in Primrose Hill ankommen. Gelbes Licht zeichnet die Ränder der Vorhänge nach, und im Wohnzimmer brennt ein Kohlenfeuer.
    »Sie bleiben heute Nacht hier«, sagt Joe, als er die Tür aufmacht.
    Ich will widersprechen, bin aber zu müde für eine Diskussion. Nach Hause oder zu Alis Eltern kann ich nicht. Ich bin wie eine ansteckende Krankheit – ich vergifte jeden in meiner Nähe. Ich werde nicht lange bleiben. Nur eine Nacht.
    Immer wieder blitzt das Gefühl auf, unter Wasser zu sein und
nicht atmen zu können. Ich kann den fauligen Gestank der Abwasserkanäle riechen und das weißlich grüne Wasser um meine Füße brodeln sehen. Dann schnappe ich jedes Mal panisch nach Luft. Joe sieht mich an. Er glaubt, ich hätte einen Herzinfarkt.
    »Ich sollte Sie ins Krankenhaus bringen. Dort könnte man ein paar Tests machen.«
    »Nein. Ich muss reden.« Ich muss ihm erzählen, woran ich mich erinnere, für den Fall, dass ich es wieder vergesse.
    Joe gießt mir einen Drink ein und will sich setzen, als er plötzlich erstarrt. Einen Moment lang sieht er aus wie eine Statue, die für immer zwischen Stehen und Sitzen verharrt. Als der Impuls aus seinem Gehirn schließlich in seinen Gliedmaßen ankommt, bewegt er sich wieder.
    Er lächelt entschuldigend.
    Der Kaminsims ist mit Fotos seiner Familie voll gestellt. Das Baby hat ein Mondgesicht und einen blonden Schopf und sieht Joe ähnlicher als Julianne.
    »Wo ist Ihre hinreißende Frau?«
    »Liegt im Bett. Sie ist Frühaufsteherin.«
    Joe beugt sich vor, die Hände zwischen den Schenkeln eingeklemmt. Ich erzähle ihm, wie ich durch die Abwasserkanäle gespült wurde und was auf dem Boot passiert ist. Ich erinnere mich, wie Kirsten Fitzroy mir Erbrochenes von den Lippen gewischt hat, und an das Gewicht des toten Ray Murphy auf mir. Sein Blut ist an meinem Hals hinuntergeflossen und hat sich in

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