Amnesie - Robotham, M: Amnesie - Lost
ich mir zusammenreimen würde, was passiert ist, vielleicht glaubte er auch, dass ich an jenem Abend etwas gesehen habe …«
Ich kann mir nach wie vor nicht erklären, wie die Diamanten in meinem Wäscheschrank gelandet sind. Ich weiß, dass sie in der Pizzaschachtel waren, und ich habe die Päckchen an Deck der Charmaine gesehen. Die meisten Fakten passen zusammen, aber nicht alle.
Ich muss die Metropolitan Police davon überzeugen, die Ermittlungen wieder aufzunehmen. Es geht nicht mehr um Howard Wavell. Ja, er gehört ins Gefängnis, aber nicht wegen dieses Verbrechens. Alexej ist das wahre Monster.
Ich wache schaudernd auf und fühle mich so müde, dass ich heulen könnte. Der Tag beginnt erst, aber ich weiß nicht mehr, wann der letzte geendet hat. Die ganze Nacht bin ich in Abwasserkanälen ertrunken und habe rote Punkte über Wände tanzen sehen.
In der Küche lächelt mich Julianne fröhlich an. »Wie geht es Ihnen?«
Beim Nachdenken verstreichen fünf Sekunden meines Lebens, und ich beschließe, nicht zu antworten. Stattdessen nehme ich dankbar eine Tasse Kaffee an.
»Wo sind die Mädchen?«
»Joe bringt Charlie zur Schule. Und er hat Emma mitgenommen. «
Sie mustert mich aus ihren blassen blauen Augen mit dem
vage vorwurfsvollen Ausdruck eines Menschen, der erkannt hat, dass es nur einen Weg zum wahren Glück gibt – die Ehe. Sie trägt einen roten Rock und einen hellen Pullover und sieht schön aus wie immer. Ich stelle mir vor, wie sie in irgendeinem warmen Land barfuß am Strand entlangläuft und ein Kind auf ihrer schlanken Hüfte trägt. Der Professor ist ein glücklicher Mann.
Die Haustür geht auf, und Joe kommt mit Emma in dem einen und den Morgenzeitungen unter dem anderen Arm herein. Julianne nimmt ihm das Kind ab, küsst die Kleine auf die Nase und streicht über ihre Locken.
Joe breitet die Zeitung auf dem Tisch aus. »Es gibt nur einen kurzen Artikel, bloß ein paar Absätze über eine Leiche, die man in der Themse gefunden hat.«
»Es ist noch zu früh. Die gerichtsmedizinische Untersuchung findet frühestens heute statt.«
»Was haben Sie vor?«
»Ich muss sie davon überzeugen weiterzuermitteln. Kommen Sie mit? Ich brauche Verstärkung.«
»Ich glaube nicht, dass man auf mich hören wird.«
»Wir müssen es versuchen.«
Auf der Fahrt zu Scotland Yard fangen meine Hände an zu zittern. Vielleicht ist es für Joe offensichtlich, was ich durchmache – Kopfschmerzen, Magenkrämpfe, das permanente Rumoren in den Eingeweiden. Falls er die Entzugserscheinungen erkennt, sagt er jedenfalls nichts.
Bei Scotland Yard müssen wir wie alle gemeinen Bürger warten. Meine Bitte, den Kommissar sprechen zu dürfen, wird von der Abteilung für öffentliche Anfragen durch diverse andere Abteilungen geleitet und dann abgelehnt. Daraufhin bitte ich, den stellvertretenden Kommissar sprechen zu dürfen. Wieder wandert meine Anfrage nach oben und wird herumgereicht wie ein Problem, das niemand will. Schließlich werde ich zurück an Campbell Smith verwiesen.
Wir fahren quer durch die Stadt und verbringen eine weitere Stunde im Erdgeschoss der Harrow Road Police Station. Joe vertreibt sich die Zeit damit, die Vermisstenplakate zu betrachten, als wäre er in der National Portrait Gallery. Die Empfangsmitarbeiter, Sekretärinnen und uniformierten Beamten ignorieren uns. Vor einem Monat war ich noch Chef von dem Laden. Ich habe ihm mein Leben geschenkt.
Schließlich erklärt sich Campbell bereit, uns zu empfangen. Joe humpelt neben mir den Korridor hinunter, unsere Schritte hallen über den blanken Flur. Am Ende des Bereitschaftsraumes sitzen zivile Büroangestellte vor einer Reihe von Computerbildschirmen. Das Klappern ihrer Tastaturen klingt wie Regentropfen auf Plastik. Einige haben Mikrofone, über die sie mit Beamten im Einsatz sprechen, während sie Namen, Adressen und Autonummern überprüfen.
Das Dezernat für schwere Gewaltverbrechen hat einen neuen Leiter – Detective Inspector John Meldrum. Er entdeckt mich. »Hey, wir hatten hier mal einen Typen, der sah genauso aus wie du. Ich glaube, er ist tot.«
»Aber noch nicht unter der Erde«, rufe ich zurück. »Glückwunsch zur Beförderung.«
Ich versuche, aufrichtig zu klingen, aber es klappt nicht. Stattdessen erleide ich einen pubertären Anfall von Wut und Eifersucht. Meldrum ist in meinem Büro. Sein Jackett hängt über meinem Stuhl.
Campbell lässt uns vor seinem Büro warten. Joe begreift die politischen Implikationen nicht.
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