Amnesie - Robotham, M: Amnesie - Lost
Was heißt Politik – pure Bosheit.
Schließlich werden wir hereingerufen. Ich lasse den Professor vorgehen. Campbell schüttelt seine Hand und lächelt nichtssagend. Dann sieht er mich kurz an und bedeutet uns, Platz zu nehmen. Meldrum schiebt seinen Stuhl ein paar Zentimeter aus dem Kreis zurück. Er ist als Beobachter und Zeuge zugegen.
Ich sollte vor einem Sonderkommando stehen. Detectives
sollten auf Stühlen und Tischkanten sitzen – Männer in grauen Anzügen und Vatertagskrawatten und dezent geschminkte Frauen mit praktischen Frisuren. Stattdessen muss ich meinen Fall einem Chief Superintendent vortragen, der glaubt, ich hätte meine Kollegen verraten und würde die Freilassung eines verurteilten Mörders riskieren.
Ich versuche zu erklären, was auf dem Fluss passiert ist. Ich schreibe vier Namen auf ein Whiteboard: Ray Murphy, Kirsten Fitzroy, Gerry Brandt und Alexej Kuznet. Ray Murphy ist tot. Kirsten und Gerry Brandt werden vermisst.
Ich ziehe einen braunen Umschlag aus der Tasche und zeige ihm den Brief mit der Lösegeldforderung und die Ergebnisse der DNA-Tests, dann beschreibe ich die Lösegeldübergabe und meine Reise durch die Abwasserkanäle.
»Ich weiß, es klingt abenteuerlich, aber ich war dort unten. Ich bin der Spur gefolgt. Sie haben am anderen Ende gewartet. Ray Murphy war der Hausmeister der Dolphin Mansions, als Mickey Carlyle verschwunden ist. Ich habe gesehen, wie er auf der Charmaine erschossen wurde. Man wird sein Blut und die Projektile auf dem Boot nachweisen können.«
»Wer hat ihn getötet.«
»Ein Scharfschütze.«
Meldrum beugt sich vor. »Und das war derselbe Scharfschütze, der auch versucht hat, dich zu töten?«
»Ich bin ihm in die Quere gekommen.«
Campbell hat bisher kein Wort gesagt, aber ich weiß, dass er nur mit Mühe die Fassung wahrt.
»Kirsten Fitzroy hat in den Dolphin Mansions gewohnt, als Mickey verschwunden ist. Sie war Rachel Carlyles Freundin. Ich habe gesehen, wie sie auf der Charmaine angeschossen wurde. Sie hat einen Bauchschuss erlitten und ist über Bord gegangen. Ich weiß nicht, ob sie überlebt hat.«
»Ihre Wohnung wurde ausgeraubt«, sagt Meldrum.
»Nicht ausgeraubt. Sie wurde durchsucht. Ich glaube, Alexej
Kuznet sucht Kirsten. Er will die Leute bestrafen, die das Lösegeld gefordert haben. Ich glaube, es sind dieselben Leute, die seine Tochter entführt haben.«
Campbell schnaubt wütend. »Howard Wavell hat Mickey Carlyle ermordet.«
»Selbst wenn du das glaubst, musst du zugeben, dass jemand anderes eine Lösegeldforderung geschickt hat, inklusive einer Locke von Mickeys Haaren und ihrem Bikini.«
»Keins von beiden beweist, dass sie noch lebt.«
»Nein. Aber Ray Murphy ist tot, und Kirsten ist in Gefahr. Alexej Kuznet hatte nie vor, sich von irgendjemandem zwei Millionen Pfund stehlen zu lassen. Er hat eine Hinrichtung organisiert. Jetzt sucht er Kirsten und Gerry Brandt, um die Sache zu Ende zu bringen.«
Sir Douglas Carlyle lasse ich lieber unerwähnt, weil ich weiß, dass Campbell ohnehin schon kurz vor einem Tobsuchtsanfall steht. Meine einzige Chance, ihn von der Notwendigkeit einer Ermittlung zu überzeugen, besteht darin, die Lösegeldforderung als Betrug hinzustellen. Etwas anderes kann ich nach wie vor nicht beweisen.
»Was hat Gerry Brandt mit all dem zu tun?«
»Er war auf der Charmaine . Ich habe ihn über Bord gehen sehen.«
Ich warte. Ich weiß nicht, ob ich genug getan habe.
Campbell hat die perfekte Amtspose angenommen. »Lass mich das noch mal klarstellen. Du hast eine Entführung, einen Mord aus Rache, Schusswaffengebrauch und eine Lösegeldforderung erwähnt. Ich möchte noch Pflichtversäumnis, Verkrüppelung einer Kollegin, Unterschlagung von Informationen und Nichtbefolgung von Befehlen hinzufügen …«
Ein Gefühl tiefer Beunruhigung erfasst mich. Er begreift nicht. Er kann nichts als Howard Wavell sehen.
»Wir müssen Kirsten finden, und zwar vor Alexej. Wenn sie überlebt hat, wird sie medizinische Hilfe gebraucht haben. Wir
müssen die Krankenhäuser und Ärzte in der Gegend befragen. Wir müssen ihre Bank-, Telefon- und Reiseunterlagen prüfen. Wir müssen ihre letzten bekannten Aufenthaltsorte in Erfahrung bringen, dann mögliche Kontakte und Lieblingsverstecke.«
Campbells Blick ist durchdringend. »Du benutzt ziemlich oft das Wort ›wir‹. Aus irgendeinem Grund scheinst du in dem Irrtum zu leben, du wärst noch immer aktives Mitglied der Metropolitan Police.«
Ich werde so wütend,
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