Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Amnesie - Robotham, M: Amnesie - Lost

Amnesie - Robotham, M: Amnesie - Lost

Titel: Amnesie - Robotham, M: Amnesie - Lost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Robotham
Vom Netzwerk:
glaube nicht an das ewige Leben, den Himmel oder die Wiedergeburt. Würden Sie Gott für mich fragen? Fragen Sie ihn, warum?«
    Ali sieht mich traurig an. »So funktioniert das nicht.«
    »Fragen Sie ihn nach seinem grandiosen Plan. Fragen Sie ihn, wer auf Kinder wie Mickey aufpasst, während er sich um das große Ganze kümmert? Eins von ein paar Milliarden Kindern mag einem ziemlich unbedeutend vorkommen, aber er könnte damit anfangen, dass er schon mal eines rettet.«
    Ich spüre den Alkohol in meiner Kehle brennen und trinke mein Glas nicht leer. Ich bin schon betrunken, aber noch nicht betrunken genug.
    Ein schwarzes Taxi setzt mich zu Hause ab. Ich fummele mit meinem Schlüssel herum und stolpere die Treppe zu meiner Wohnung hinauf, wo ich mich über die Toilettenschüssel beuge
und kotze. Danach spritze ich mir Wasser ins Gesicht und lasse es an meinem Hals und meiner Brust hinunterlaufen.
    Aus dem Spiegel starrt mir ein blasser höhnischer Fremder entgegen. In seinen Augen sehe ich Mickey am Fuß der Rolltreppe, Daj hinter dem Stacheldraht und Luke unter dem Eis.
    Andere Erinnerungen habe ich offenbar nicht. Vermisste Kinder, missbrauchte Kinder und tote Kinder bevölkern meine Gedanken. In der Badewanne ertränkte Babys, ins Koma geschüttelte Säuglinge, Kinder, die in Gaskammern geschickt, von Spielplätzen geschnappt und mit Kopfkissen erstickt werden. Wie kann ich Gott Vorwürfe machen, wenn ich nicht mal ein kleines Mädchen retten konnte?

37
    Gegenüber von den Königlichen Gerichtshöfen lädt ein Spediteur nackte Schaufensterpuppen aus einem Transporter. Männliche und weibliche Leiber sind in einer Orgie aus Plastik erstarrt, einige tragen Perücke, andere sind kahl. Der Fahrer nimmt immer zwei Puppen auf einmal, je eine auf jede Schulter, und packt mit den Händen zwischen ihre Pobacken. Ich sehe, wie er lacht, als Taxifahrer hupen und Büroangestellte sich aus den Fenstern lehnen.
    Ich bleibe stehen und sehe zu. Es tut gut zu lächeln.
    Aber das Gefühl ist nicht von Dauer. Rachel Carlyle blickt auf, als ich durch die Halle auf sie zugehe. Ihr Blick wirkt unkonzentriert, ihr Lächeln vage, so als hätte sie mich nicht gleich erkannt. Das Licht, das durch die hohen Fenster hereinfällt, wird mehrfach gebrochen und hat sich, so scheint es, zerstreut, bevor es den Boden der marmornen Eingangshalle erreicht.
    Ich führe sie in ein leeres Besprechungszimmer. Ich lasse sie Platz nehmen und erzähle ihr dieselbe Geschichte, die Kirsten mir erzählt hat, ohne etwas auszulassen. Als ich zu der Stelle komme, wie Mickey abends alleine quer durch London fährt, kneift sie die Augen zusammen, als wollte sie das Bild abwehren.
    »Wo ist Kirsten jetzt?«
    »Sie kämpft gegen eine Blutvergiftung. Die nächsten achtundvierzig Stunden sind kritisch.«
    In Rachels Gesicht erkenne ich Sorge. Ihre Fähigkeit zur Vergebung übersteigt die meine bei weitem. Ich kann mir vorstellen, wie sie ein Gebet für Kirsten spricht oder eine Kerze anzündet. Sie sollte gegen ihre Freundin wüten oder gegen mich. Ich habe ihr Hoffnungen gemacht, und wo stehen wir jetzt?

    Stattdessen gibt sie sich die Schuld. »Wenn ich Alexej nicht um das Lösegeld gebeten hätte, wäre das alles nicht passiert.«
    »Nein, er hat sie dafür bestraft, was mit Mickey geschehen ist, nicht für irgendetwas, das Sie getan haben.«
    »Ich wollte sie nur zurückhaben«, sagt sie leise.
    »Ich weiß.«
    Ich blicke auf die Uhr. Wir werden vor Gericht erwartet. Rachel hält einen Moment inne und sammelt sich, bevor sie das Zimmer verlässt. Die Flure und öffentlichen Bereiche haben sich ein wenig geleert. Die Krähe steht auf der Treppe. Eddie Barrett steht drei Stufen über ihm, womit sie sich etwa auf Augenhöhe begegnen. Die Krähe wirkt frisch, während Eddie knurrt und gestikuliert, als wollte er Luft fressen.
    Rachel nimmt meinen Arm, sie sucht einen Halt. »Wenn Alexej schon damals eine Lösegeldforderung erhalten hat, warum hat er dann nichts gesagt?«
    »Vermutlich wollte er nicht, dass die Polizei eingeschaltet wird.«
    »Ja, aber hinterher, als Mickey nicht nach Hause kam, hätte er doch etwas sagen können.«
    Ich weiß die Antwort nicht. Ich vermute, dass er seinen Fehler nicht an die große Glocke hängen wollte. Außerdem war er eingebildet genug zu glauben, dass er Mickey noch vor der Polizei finden konnte. Er muss gewusst haben, wie nahe sie ihrem Zuhause war – es fehlten nicht einmal mehr fünfundachtzig Stufen. Der Gedanke muss ihn

Weitere Kostenlose Bücher