Amnesie - Robotham, M: Amnesie - Lost
werden behaupten, dass sie allein ist, hungert oder nur noch einen begrenzten Vorrat an Wasser oder Luft zur Verfügung hat. Man wird versuchen, Sie zu erschrecken und einzuschüchtern …«
»Aber was, wenn …« Ihre Stimme bricht, »… wenn sie ihr etwas tun?«
Ich kann förmlich sehen, wie der Groschen fällt.
»Sie werden sie töten, nicht wahr? Sie werden sie nie laufen lassen, weil Mickey sie identifizieren kann …«
Ich lege meine Hände auf die ihren und zwinge sie, mich anzuschauen. »Hören Sie auf! Reißen Sie sich zusammen. Im Augenblick ist Mickey ihr wertvollster Besitz.«
»Und hinterher?«
»Deswegen müssen wir die Bedingungen diktieren, und Sie müssen sich darauf vorbereiten.«
Ich bin aufgestanden und stehe jetzt hinter ihr. »Okay, üben wir, was Sie sagen sollen.« Ich ziehe mein Handy aus der Tasche und wähle. Das Telefon vor ihr fängt an zu klingeln. Ich weise mit dem Kopf darauf.
Beklommen klappt sie den Hörer aus. »Hallo?«
»SCHMEISS DEN SCHEISS SENDER WEG!«
Sie blickt zu mir auf und fragt stotternd: »Was meinen Sie?«
»SOFORT, SCHLAMPE! SCHMEISS DEN SENDER WEG ODER ICH BRINGE MICKEY UM.«
»Ich habe keinen… ich trage keinen Sender.«
»LÜG MICH NICHT AN. Schmeiß ihn aus dem Fenster.«
»Nein.«
»SIE IST TOT. DU HATTEST DEINE CHANCE.«
»Ich mach alles, was Sie sagen. Alles. Bitte. Ich mache es …«
Rachel zittert am ganzen Körper. Ich nehme ihr das Telefon aus der Hand und beende das Gespräch.
»Okay, er wusste nicht, dass Sie einen Sender bei sich tragen. Er hat geblufft. Das hätten Sie ihm sagen müssen.«
Rachel atmet tief ein und nickt.
Wir versuchen es noch einmal. Ich möchte, dass sie höflich und bestimmt, aber nicht aggressiv ist. Ablehnung, aber keine Provokation. Zeit gewinnen.
Die nächsten zwei Stunden proben wir und gehen verschiedene Gesprächsverläufe durch. Ich kann ihr realistischerweise nur ein paar Ideen einpflanzen. Dabei stelle ich ihr immer wieder dieselbe Frage. »Was verlangen Sie?«
»Mickey zu sehen .«
»Wann überreichen Sie das Lösegeld?«
»Wenn ich Mickey habe .«
»Genau. Wenn Sie Ihre Tochter an der Hand halten.«
Ich blicke ihr in die Augen und hoffe, die Entschlossenheit darin zu erkennen, die ich bei ihrer ersten Pressekonferenz nach Mickeys Verschwinden beobachtet hatte. Rachel war weder zusammengebrochen noch hatte sie geweint. Zeuge derselben Entschlossenheit war ich auch nach Howards Verurteilung geworden, als sie auf der Treppe vor dem Gericht eine vorbereitete Erklärung verlesen hatte.
»Sie müssen es nicht machen«, erinnere ich sie. Rachel blinzelt und atmet nicht. Ihre Finger tasten fahrig nach den Schnallen ihres Beutels.
Am Rande meines Bewusstseins höre ich ein Telefon klingeln. Joe beugt sich über den Schreibtisch und schaltet den Anrufbeantworter ein. Er sieht mich erwartungsvoll an, sein linker Arm zuckt wie ein geplatzter Feuerwehrschlauch.
»Sie haben sich an etwas erinnert.«
Ich spüre, wie mein Magen bebt und sich wieder beruhigt. »Das reicht nicht.«
Sein Arm hat aufgehört zu zittern. Bis auf seine leuchtenden Augen erstarrt sein Gesicht in blasser Leere. Das Leben ist für ihn ein großes Rätsel, ein sich ständig verschiebendes Puzzle. Die meisten Menschen halten nicht inne, um nachzudenken. Joe kann mit dem Nachdenken nicht innehalten.
21
Ali hatte den ganzen Abend ihr Telefon abgeschaltet. Schließlich ruft sie mich an.
»Wo sind Sie gewesen?«
»Ich habe gearbeitet. Ich komme gerade erst nach Hause.«
»Nicht für mich.«
»Ich habe gearbeitet .«
Zwanzig Minuten später kommt sie durch die Tür und sieht irgendwie anders aus. Man erkennt angeblich, wenn eine Frau Sex hatte. Vielleicht war ich nie gut genug.
Ali hat etwas für mich. Die Datenbank des nationalen Polizeicomputers hat bestätigt, dass Gerry Brandt vor vier Jahren eine Gefängniszelle mit Tony Murphy geteilt hat. Brandt wurde zwei Monate vor Mickeys Verschwinden auf Bewährung entlassen.
»Und was halten Sie von folgendem weiterem Zufall?«, fragt sie. »Tony Murphy ist vor drei Monaten auf Bewährung entlassen worden – gerade rechtzeitig, um in die ganze Geschichte verwickelt sein zu können.«
»Wie geht es ›New Boy‹ Dave?«
»Der Junge ist ein richtiger Glückspilz«, sagt sie mit einem angedeuteten Lächeln.
Obwohl sie müde ist, setzt sie sich hin und geht mit mir ihre Notizen durch. Vor drei Jahren ist Gerry Brandt komplett vom Radar verschwunden. Es gab keine Steuerrückzahlungen,
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