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Amnesie - Robotham, M: Amnesie - Lost

Amnesie - Robotham, M: Amnesie - Lost

Titel: Amnesie - Robotham, M: Amnesie - Lost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Robotham
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keine Sozialhilfe, keine Strafzettel, keine polizeilichen Verwarnungen und keine überschrittenen Leihfristen in öffentlichen Bibliotheken … Vor drei Monaten tauchte er dann wieder auf und beantragte Arbeitslosenunterstützung.

    »Sagen Sie mir, mein kluges junges Fräulein, hat Mr. Brandt auch einen aktuellen Aufenthaltsort?«
    »Wie es der Zufall will«, sagt sie und hält eine Hand hoch. Zwischen ihren Fingern klemmt ein kleiner Zettel – eine Adresse im Londoner Süden.
    Bermondsey ist eines der Viertel, die zwei Mal vergewaltigt wurden – einmal von der deutschen Luftwaffe und dann von den Architekten der 70er Jahre, die stalinistische Wohnblöcke und Sozialklötze aus Beton dort errichtet haben. Gesunde Zähne, von zahllosen Füllungen entstellt, so sieht das aus.
    Wir halten vor einem großen, alten weißen Haus mit zugewucherten Mauern. Hinter dem Efeu kann ich einen kleinen, von kunstvoll verzierten Konsolen gestützten Balkon und darüber ein steiles Schieferdach ausmachen, feucht und dunkel wie eine gewischte Tafel.
    Ich sehe auf die Uhr. Es ist gerade sieben Uhr morgens.
    »Aufstehen, Prinzessin.«
    Ein etwa neunzehnjähriges Mädchen mit zerwühlten Haaren späht durch den Spalt der leicht geöffneten Tür. Sie trägt einen Rugbypullover und eine Baumwollunterhose. Unter dem Bündchen lugt eine Tätowierung hervor.
    Sie betrachtet Alis Polizeimarke und löst die Türkette. Wir folgen ihr durch einen Flur ins Wohnzimmer. Ali tadelt mich mit einem stummen Blick, weil ich bewundernd auf den Hintern des Mädchens starre.
    Auf dem Fußboden schlafen noch zwei Mädchen in inniger Umarmung. Eine weitere Person unbestimmbaren Geschlechts hat sich auf dem Sofa in eine Tagesdecke gewickelt. Die Luft stinkt nach Haschisch und abgestandenem Zigarettenqualm.
    »Heftiger Abend?«
    »Nicht für mich, ich trinke keinen Alkohol«, sagt sie.
    »Wir suchen Gerry Brandt.«
    »Er ist oben.«

    Sie setzt sich auf einen Stuhl, legt die nackten Füße auf den Tisch und knibbelt an einer Kruste an ihrem Knie herum.
    »Nun, vielleicht möchten Sie ihm sagen, dass wir ihn gern einen Moment sprechen würden«, erwidert Ali.
    Das Mädchen denkt kurz nach, bevor sie die Füße vom Tisch nimmt und sich träge in Bewegung setzt. So wie sie den Aufstieg angeht, wirkt die Treppe sehr steil. Das Esszimmer ist mit Flyern von Amateurbands tapeziert, und in einer Ecke steht eine gepolsterte Bank unter einer Stange mit Gewichten. Aus dem Treteimer in der Küche quellen die Überreste eines Fast-Food-Currys.
    Das Mädchen ist zurückgekehrt. »Grub sagt, er ist in einer Minute für Sie da.«
    Sie geht ins Badezimmer, setzt sich, ohne die Tür zu schließen, aufs Klo und pinkelt. Danach putzt sie sich die Zähne und beobachtet mich im Spiegel. Im ersten Stock rauscht eine weitere Toilettenspülung, danach hört man, wie ein Fenster geöffnet wird. Ein paar Sekunden später fällt eine Gestalt am Küchenfenster vorbei und landet im Garten.
    Für einen Moment sehe ich sein Gesicht und erkenne nackte, reine Angst. Der Mann ist zu Tode erschrocken.
    Bis ich an der Hintertür bin, hat er sich schon über den Zaun geschwungen und rennt die Gasse hinter dem Haus hinunter. Er ist barfuß und trägt ein Baumwollunterhemd und eine verwaschene Trainingshose.
    Ich rolle mich über den Zaun und lande hart auf dem Kopfsteinpflaster. Er hat dreißig Meter Vorsprung und sprintet auf ein Tor zu. Ich vermute, dass Ali vorne hinausgegangen ist und versucht, ihm den Weg abzuschneiden.
    Der Mistkerl springt beinahe in vollem Lauf über das Tor, während mir nichts anderes übrig bleibt, als das Ding niederzurennen, weil der Boden rutschig ist und ich nicht mehr rechtzeitig bremsen kann. Er biegt nach links ab, weicht einem überquellenden Müllcontainer aus, überquert die Straße, hüpft über eine Hecke und biegt um eine Ecke.

    Den Typen könnte ich selbst dann nicht schnappen, wenn ich zwanzig Jahre jünger wäre und zwei gesunde Beine hätte. Ich falle weiter zurück, huste Schleim und sehe Sternchen.
    Ein Bautrupp von British Gas reißt eine Straßenseite auf. Der rote Lehm türmt sich neben der Grube. Den Sprung schaffe ich locker, allerdings habe ich nicht auf den Verkehr geachtet. Das leise Summen des elektrischen Motors hat mich getäuscht. Ein Milchwagen ist aus einer Parklücke auf die Straße gebogen, er fährt nur ein paar Stundenkilometer schnell, aber ich bin mitten im Sprung und knalle gegen den vorderen Kotflügel. Es fühlt sich an, als

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