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Amnesie - Robotham, M: Amnesie - Lost

Amnesie - Robotham, M: Amnesie - Lost

Titel: Amnesie - Robotham, M: Amnesie - Lost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Robotham
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Cargohose und eine Tarnjacke mit Schnallen und Griffen, die aussehen wie Reißleinen eines nicht existierenden Fallschirms.
    Nachdem ich ihn dazu überredet habe, sich auf einen Umzugskarton
zu setzen, mustert er mich misstrauisch. Ich kann seine provisorische Möblierung nur bewundern.
    »Gefällt mir, deine Wohnung.«
    »Schützt vor Regen«, sagt er ohne eine Spur von Sarkasmus. Mit seinen Koteletten sieht er aus wie ein Dachs. Er kratzt sich am Hals und unter den Armen. Ich hoffe, es ist nicht ansteckend.
    »Ich muss in die Kanalisation.«
    »Ist verboten.«
    »Aber du kannst es mir zeigen.«
    Er nickt und schüttelt gleichzeitig den Kopf. »Nein. Nein. Nein. Verboten.«
    »Ich hab dir doch gesagt, dass ich Polizist bin, Moley.«
    Ich zünde die Öllampe an und stelle sie auf eine Kiste. Dann breite ich eine Karte auf dem Boden aus und streiche die Falze glatt. »Kennst du diese Stelle?«
    Ich zeige auf die Priory Road, aber Moley starrt ausdruckslos auf das Papier.
    »Es ist nicht weit vom Abbot’s Place«, erkläre ich. »Es geht um einen Hoch- oder Abwasserkanal.«
    Moley kratzt sich am Hals.
    Plötzlich dämmert es mir – er kann die Karte nicht lesen. All seine Orientierungspunkte liegen unter der Erde, und er kann sie nicht mit Kreuzungen oder überirdischen Landmarken zusammenbringen.
    Ich ziehe eine Apfelsine aus der Tasche und lege sie auf die Karte. Sie dreht sich mehrmals und bleibt dann ruckelnd liegen. »Du kannst es mir zeigen.«
    Moley starrt gebannt auf die Orange. »Folgen Sie der Strömung. Das Wasser findet den Weg.«
    »Ja genau, aber ich brauche deine Hilfe.«
    Moley ist immer noch fasziniert von der Apfelsine. Ich gebe sie ihm, und er steckt sie in die Hosentasche und zieht den Reißverschluss zu. »Sie wollen sehen, wo der Teufel wohnt.«

    »Ja.«
    »Nur Sie.«
    »Nur ich.«
    »Morgen.«
    »Warum nicht heute?«
    »Ich muss Pete treffen, den Wettermann. Pete liefert uns eine Vorhersage.«
    »Welchen Unterschied macht das in der Kanalisation?«
    Moley mimt geräuschvoll einen vorbeirauschenden Schnellzug. »Wenn es regnet, wollen Sie bestimmt nicht da unten sein. Es ist, als ob Gott höchstpersönlich abgezogen hätte.«

20
    »Warum interessieren Sie sich so für die Kanalisation?«, fragt Joe und bietet mir mit einer mechanischen, fast einstudierten Bewegung einen Stuhl an.
    Es ist Montagmorgen, und wir sitzen in seiner Privatpraxis in einer Seitenstraße der Harley Street. Das Gebäude ist im georgianischen Stil errichtet, mit schwarz gestrichenen Fallrohren und weiß lackierten Fensterbänken. Auf dem Schild an der Tür steht eine ganze Latte von Abkürzungen hinter seinem Namen, dazu ein kleiner runder Smiley, der den Patienten die Angst nehmen soll.
    »Es ist bloß eine Theorie. Die Lösegeldpäckchen sollten schwimmen.«
    »Ist das alles?«
    »Ray Murphy hat als Kanalreiniger gearbeitet. Jetzt wird er vermisst.«
    Joes rechter Arm zuckt in seinem Schoß. Auf seinem Schreibtisch liegt aufgeschlagen ein Buch mit dem Titel Amnesie: Therapie und Heilung .
    »Wie geht es Ihrem Bein?«
    »Wird immer kräftiger.«
    Er will mich nach dem Morphium fragen, überlegt es sich aber anders. Ein paar Sekunden lang breitet sich die Stille aus wie zähflüssiges Öl. Joe steht auf, schwankt kurz, bis er sein Gleichgewicht wiedergefunden hat, und geht dann mit sichtlich mühsamen Schritten im Raum auf und ab. Manchmal zieht es ihn nach rechts, und er muss sich bewusst wieder ausrichten.
    Als ich mich umsehe, fällt mir auf, dass sein Büro ein wenig unaufgeräumt wirkt – die Bücher in den Regalen, die Akten auf
dem Schrank. Wahrscheinlich fällt es ihm zunehmend schwer, Ordnung zu halten.
    »Erinnern Sie sich an Jessica Lynch?«, fragt er.
    »Die amerikanische Soldatin, die im Irak gefangen genommen wurde?«
    »Als sie gerettet wurde, hatte sie keine Erinnerungen mehr an die Ereignisse vom Überfall bis zu ihrem Aufwachen in dem irakischen Krankenhaus. Trotz aller Befragungen und Untersuchungen konnte sie sich auch Monate später einfach nicht daran erinnern. Die Ärzte nannten es eine Gedächtnisspur, was etwas völlig anderes ist als Amnesie. Amnesie bedeutet, dass man eine Erinnerung hat, die man nach einem traumatischen Erlebnis plötzlich vergisst. In Jessicas Fall war es so, dass ihr Gehirn es gar nicht zugelassen hat, Erinnerungen zu sammeln. Als wäre sie geschlafwandelt.«
    »Wollen Sie damit sagen, dass ich mich vielleicht nie wieder an das erinnere, was geschehen ist?«
    »Vielleicht

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