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Amnesie - Robotham, M: Amnesie - Lost

Amnesie - Robotham, M: Amnesie - Lost

Titel: Amnesie - Robotham, M: Amnesie - Lost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Robotham
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Medikamente, die schlechten Nachrichten und das fröhliche Lächeln, mit dem man die Wahrheit verbergen wollte.
    Claire und Michael waren damals erst dreizehn, aber sie sind ganz gut mit der Situation umgegangen. Ich war es, der ausgeflippt ist. Ich bin verschwunden und habe während des Krieges eineinhalb Jahre lang LKWs mit Hilfsgütern nach Bosnien-Herzegowina überführt. Ich hätte zu Hause sein und auf meine Kinder aufpassen sollen, statt ihnen Postkarten zu schicken. Vielleicht haben sie mir deshalb nie verziehen.
    Man lässt mich nicht zu Ali. Ärzte und Schwestern hasten an mir vorbei, als wäre ich ein Plastikstuhl in einem Wartezimmer. Amanda, die Stationsschwester, ist pummelig und gelassen. Wenn sie spricht, fallen die Worte aus ihrem Mund wie Fallschirmjäger.
    »Sie müssen auf den Chirurgen warten, der ihre Wirbelsäule operiert. Er wird bestimmt bald hier sein. Sie können sich heiße Getränke und Snacks aus den Automaten ziehen. Kleingeld habe ich leider keins.«

    »Wir warten jetzt sechs Stunden.«
    »Es dauert bestimmt nicht mehr lange«, sagt sie und zählt weiterhin Verbandrollen in einem Karton.
    Alis Familie lauscht dem Gespräch. Ihr Vater beugt sich vor, bis sein Kopf auf seinen verschränkten Armen ruht. Er ist ein gütiger, respektvoller Mann und sieht aus wie ein von Torpedos getroffenes Schiff, das in den Wellen versinkt.
    Ihre Mutter hält einen Pappbecher mit Wasser in der Hand, in den sie von Zeit zu Zeit einen Finger taucht und damit über ihre Augenlider streicht. Drei ihrer Brüder sitzen ebenfalls in dem Wartezimmer und beobachten mich mit kalten Blicken.
    Mein Körpergeruch steigt aus meinem Hemd in meine Nase. Es riecht wie in Flugzeugen, wenn Geschäftsmänner ihre Jacketts ablegen. Ich wende mich von der Schwester ab und gehe langsam zu meinem Stuhl zurück. Als ich an Alis Vater vorbeikomme, bleibe ich stehen und warte, dass er aufblickt.
    »Es tut mir Leid, was passiert ist.«
    Aus Höflichkeit schüttelt er meine Hand.
    »Sie waren bei ihr, Detective Inspector?«
    »Ja.«
    Er blickt an mir vorbei und nickt. »Was hat eine Frau damit zu schaffen, Schurken und Verbrecher zu jagen? Das ist Männerarbeit. «
    »Sie ist eine sehr gute Polizistin.«
    Er antwortet nicht. »Als Teenager war meine Tochter eine sehr gute Sportlerin. Eine Sprinterin. Ich habe sie einmal gefragt, warum sie so schnell rennen will. Sie sagte, sie versuche, die Zukunft einzuholen – um zu sehen, was für eine Frau sie werden würde.« Er lächelt.
    »Sie sollten stolz auf sie sein.«
    Er nickt und schüttelt gleichzeitig den Kopf.
    Ich gehe an ihm vorbei zur Toilette und spritze mir kaltes Wasser ins Gesicht. Dann ziehe ich mein Hemd aus, reibe mir Wasser in die Achselhöhlen und spüre, wie es bis zu meinem
Gürtel hinunterrinnt. Ich schließe die Tür einer Kabine, klappe den Toilettendeckel zu und setze mich.
    Das ist alles meine Schuld. Ich hätte nach oben gehen und Gerry Brandt stellen sollen. Ich hätte ihn erwischen müssen, bevor er über den Gartenzaun entkommen konnte. Ich sehe seinen Gesichtsausdruck noch vor mir, als er Alis Beine festgehalten, sich nach hinten fallen gelassen und ihren Körper an der Mauer zermalmt hat. Er wusste genau, was er tat. Nun werde ich ihn finden. Ich werde ihn mir schnappen. Und wenn ich Glück habe, leistet er bei seiner Verhaftung Widerstand.
    Mit einem Ruck wache ich auf. Ich bin mit dem Kopf an der Wand in der Toilettenkabine eingeschlafen. Die Knoten in meinem Nacken fühlen sich an wie Fäuste, als ich mich mühsam aufrichte.
    Welcher Tag ist heute – Montag, nein, Dienstagmorgen? Es muss Morgen sein, obwohl es noch dunkel ist. Ich gucke gar nicht erst auf meine Uhr.
    Als ich ins Wartezimmer zurückkomme, ist mein Kopf wieder einigermaßen klar. Mein Haar klebt verfilzt in meiner Stirn, und meine Nase ist krustig und ausgetrocknet.
    Der Arzt redet mit Alis Familie. Krank vor Angst steuere ich im Zickzack um die Reihen von Plastikstühlen herum und durchquere den Raum. Unter dem grellen Licht der Neonröhren scheint sich ein düsterer Schatten auszubreiten.
    Ich zögere kurz, unsicher, ob ich das Recht habe, mich einzumischen, aber das Bedürfnis zu erfahren, wie es steht, ist einfach zu groß. Als ich zu der kleinen Gruppe trete, blickt keiner auf.
    Der Arzt redet immer noch.
    »Sie hat sich zwei Wirbel gebrochen und ausgerenkt, sodass ihr Rückenmark gequetscht wurde wie Zahnpasta in einer Tube. Bis die Hämatome abschwellen, können wir weder das

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