Amnion 2: Verbotenes Wissen
Partikelkollektor zu tun. »Er hätte die Arbeit stückweise erledigen müssen, in kleinen Abschnitten, wenn gerade niemand hinschaute. Dann hätte es wochenlang gedauert. Er hat aber gesagt…« Es war erstaunlich, wie deutlich sie sich dessen entsann. »Er hat gesagt, er hätte ›den Computern ’n Virus eingespeist‹, und zwar ›noch am selben Tag, an dem‹ er ›an Bord gegangen ist‹. Am selben Tag, nicht Wochen später.«
»Vielleicht hat er sich nicht an die Wahrheit gehalten«, bemerkte Vector.
»Unterstellen wir mal, er hat sich an die Wahrheit gehalten. Dann haben wir jetzt ein Virus, das nicht davor und nicht danach geschrieben worden sein kann.«
Vector schaute in seinen Kaffee, als könnte das Getränk seine Perplexität beheben. »Und was sind die Alternativen?«
»Hardware«, sagte Mackern halblaut. Seine Stimme klang, als würde ihm übel.
Morn richtete ihren müden Blick auf ihn und wartete.
»Aber das ist unmöglich«, widersprach Mackern sich selbst. »Ich meine, technisch ist es nicht unmöglich. Man kann ein Virus einem Chip oder einer Steckkarte übertragen. Oder einer Verdrahtungsplatte. Da ist es am vielseitigsten verwendbar. Es leistet das gleiche wie ein Virus im Programm. Man kann es aktivieren oder inaktiv lassen, wie man will. So ein Virus hätte er erstellen können, ehe er an Bord gekommen ist. Er hätte nur fünf Minuten allein unten bei den Computern sein müssen, um seinen Chip – oder was er gehabt haben mag – dort einzusetzen. Es ist aber trotzdem ausgeschlossen.«
»Weshalb?« fragte Morn, die zwischen Schlaf und Konzentration schwankte.
»Aus dem gleichen Grund, weshalb er das Virus nicht im voraus schreiben konnte«, lautete Sibs Antwort. »Es gibt viel zu viele verschiedene Computermodelle, und genauso viele verschiedene Sorten von Betriebsprogrammen. Er hätte keinen kompatiblen Chip vorbereiten können, ohne genau zu wissen, was für Anlagen wir haben. Und wir nehmen ja an, daß er es, bevor er an Bord ging, nicht wissen konnte.«
»Ganz zu schweigen von den Kosten«, merkte Vector an. »Arme Schweine wie wir könnten aus eigenen, privaten Mitteln mit knapper Not für Systeme, wie wir sie benutzen, ein bis zwei Permanentspeicherchips kaufen, wenn wir ’ne Dauerstellung haben und sparsam sind. Verdrahtungsplatten sind wahrscheinlich schon unerschwinglich.«
»Aber Schnittstellenkarten nicht«, brabbelte Morn, als hätte sie sich fürs Schlafen entschieden.
Der Datensysteme-Hauptoperator öffnete den Mund; machte ihn zu. Ein Erschrecken in seinen Augen erweckte den Eindruck, als ob er sich vor Morn fürchtete.
»Was meinst du damit, ›Schnittstellenkarten nicht‹?« fragte Vector vorsichtig. Anscheinend hatte er daran seine Zweifel, daß sie die Frage beantworten konnte.
»Dafür trifft das alles nicht zu.« Ohne es richtig zu merken, hatte Morn die Hände in die Taschen geschoben; ihre Finger lagen auf den Tasten des Zonenimplantat-Kontrollgeräts. Sie war längst so gut damit vertraut, daß sie es bedienen konnte, ohne es dabei zu sehen. »Sie sind nicht teuer.« Wahrscheinlich hätte ihr jetzt wie einem Genie zumute sein, sie den Triumph einer Siegerin empfinden müssen; sie hätte das Gefühl haben sollen, einen Durchbruch erzielt zu haben, der für sie die Erlösung bedeutete. Doch für so starke Emotionen hatte sie keine Kraft. Sie nahm sich vor, das Kontrollgerät abzuschalten, sobald ausgesprochen war, was sie zu sagen hatte, und sich endlich die verdiente Erholung zu gönnen. »Und es wäre machbar.«
»Morn…« Vector beugte sich vor und berührte sie am Arm. »Du pennst ja ein. Versuch noch ’n Momentchen wachzubleiben.«
Mit einer Willensanstrengung, die ihr das Z-Implantat selbst ermöglichte, nahm sie die Finger vom Kontrollgerät.
»Sie sind nicht kostspielig«, sagte sie undeutlich. »Sonst könnten ›arme Schweine‹ wie ihr sie sich nicht anschaffen, um ihre Systeme zu erweitern oder zu modernisieren. Und sie lassen sich genau wie Chips oder Verdrahtungsplatten mit einer Festprogrammierung ausstatten.« Das galt vor allem in diesem Fall, in dem es nicht mehr brauchte als einen relativ schlichten, eingeätzten Löschbefehl mit einem Start-Stop-Zeichen. »Und es besteht kein Kompatibilitätsproblem. Schnittstellenkarten sind genormt. Deshalb sind sie ja billig. Man setzt sie an genormten Steckplätzen ein, und sie funktionieren bei allen standardisierten Betriebsprogrammen. Will man zwei Computer zusammenschalten, muß man sie sich
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