Amnion 2: Verbotenes Wissen
Sarkasmus an –, »werden wir erst ’n paarmal, ehe ich das glaube, alles testen.«
Er erteilte Befehle. »Mackern und alle anderen, an die Arbeit! Ich will die Tests wiederholen, mit denen wir es das erste Mal versucht haben. Wir machen nun noch mal genau das gleiche, was die ersten Löschvorgänge verursacht hat…«
Möglicherweise redete er noch mehr; vielleicht nicht. Morn hätte es nicht sagen können: Sie war in einen schlafähnlichen oder schlafwandlerischen Zustand entschwebt.
Vector und Mikka stützten sie, hielten sie auf den Beinen. Sie gewährleisteten, daß sie einigermaßen bei Besinnung blieb, während man die ursprünglichen Tests vorbereitete und wiederholte. Aber sie kehrte in keine Verfassung zurück, die wirklichem Bewußtsein glich, bevor Vector sie schüttelte. »Morn«, sagte er ihr ins Ohr, »alles funktioniert. Du hast recht gehabt. Du hast’s geschafft.«
Geschafft. Ach wie gut. Morn wußte nicht so recht, wovon er redete.
Aber da beanspruchte der sonderbare, schmale Blick, den Nick auf sie heftete, ihre Aufmerksamkeit, so daß sie den Kopf hob.
»Du hast gewonnen.« Er betrachtete sie, als wäre es – zu gewinnen – das Gefährlichste gewesen, was sie hätte tun können. »Wir haben ’ne Abmachung getroffen. Du hast sie erfüllt. Ich halte sie auch. Du kannst dein verdammtes Kind haben.«
Das Zugeständnis kam wie ein Knurren über seine Lippen. »Und du mußt es nicht auf Thanatos Minor kriegen. Vector sagt, der Ponton-Antrieb bringt uns noch einmal durchs Hyperspatium. Sein Leben würde er nicht drauf verwetten, aber immerhin seine Reputation.« Nick schnarrte das Wort wie einen Fluch. »Ich setze für dich beides aufs Spiel.«
In seinen Augen glitzerte mörderische Wut oder wildes Vergnügen; Morn konnte es nicht unterscheiden.
»Ich fliege dich nach Station Potential.«
Sobald Morn den Namen hörte, stockte ihr der Atem.
Jedem auf der Brücke schien der Atem zu stocken.
»Du sollst dein Kind haben, jawohl, und ich helfe dir sogar dabei. Und wir müssen uns nicht zehn Jahre lang mit einem Plärrbalg herumärgern. Dort kann man dir binnen einer Stunde ein ausgewachsenes Kind übergeben. Vielleicht brauche ich dich dann nicht abzuschieben.«
Seine letzten Worte drangen noch an Morns Gehör, aber sie verstand sie nicht mehr. Sie dachte nur: Station Potential.
Bannkosmos. Die Amnion!
Andernfalls hätte sie wohl noch Nicks Lachen der Genugtuung gehört. Er hatte diese Absicht von dem Moment an gehegt, in dem er die Vereinbarung mit ihr geschlossen hatte.
Obwohl Vector und Mikka sie stützten, sank Morn, als ob sie stürbe, in Ohnmacht.
ERGÄNZENDE DOKUMENTATION
Erstkontakt
Über die Frage, was offiziell als ›Erstkontakt‹ mit den Amnion gelten soll, sind die Meinungen geteilt. Manche Menschen glauben, daß die Beziehung der Menschheit zur einzigen (bekannten) anderen Intelligenz der Galaxis – zudem einer Intelligenz, die Raumfahrt betreibt – nicht erst an dem Zeitpunkt angefangen haben kann, an dem ein Mensch zum erstenmal einem Amnioni gegenübertrat. Gewissen Kriterien zufolge ereignete sich diese Begegnung an Bord des Amnion-Raumschiffs Solidarität, nachdem Sixten Vertigus, Kapitän des Forschungsraumschiffs Komet der Astro-Montan AG, aufgrund eigenen Ermessens und entgegen strenger AM-Instruktionen das Risiko eines EA-Transfers zu einer Luftschleuse der Solidarität einging und ihm ein Wesen beim Betreten der Schleuse half, das er später als ›humanoide Seeanemone mit zu vielen Armen‹ beschrieb.
Seine Instruktionen hatten gelautet, in den Nahraum einer Alien-Station einzufliegen oder die Nachbarschaft eines Alien-Raumschiffs zu suchen und unterdessen ständig die Bandaufzeichnung zu funken, die Intertech, eine Tochtergesellschaft der AM, für diese Gelegenheit vorbereitet hatte, jede etwaige Funksendung, die den Eindruck einer Antwort erweckte und die seine Geräte aufnehmen konnten, für möglichst lange Dauer aufzuzeichnen, ohne die Durchführung des erhaltenen Auftrags zu gefährden, und sich bei dessen Beendigung auf eine Weise durchs Hyperspatium abzusetzen, die eine Verfolgung ausschloß. AM-Vorstandsvorsitzender und Geschäftsführer Holt Fasner hatte nicht den Willen zu haben erklärt, etwa irgendwelcher Gewinne wegen einen Krisenfall für die gesamte Erde zu riskieren; er wollte Wesen, deren Absichten man nicht einmal erraten konnte, nicht zu sehr enthüllen.
Sixten Vertigus’ Abneigung gegen das Befolgen der Anweisungen
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