Amnion 2: Verbotenes Wissen
Handlungen und die Umstände ließen ihr keine Wahl. Und ihr Hirn erlag in gesteigertem Maß der Einflußnahme des Z-Implantats. Etwas anderes, als dem Diktat des Instinkts und der Biologie zu folgen, konnte sie nicht tun, sie hatte keine Alternative, als alles, was von ihrem Willen noch vorhanden war, auf das Wohlergehen ihres Kinds zu richten, und allem übrigen seinen Lauf zu lassen.
Während er ihren Arm umklammerte, als fürchtete er den Moment, in dem sie von seiner Seite wich, geleitete Nick sie durch den Eingang in das Labor.
Die Wächter kamen ebenfalls herein.
Sobald die Tür sich hinter ihnen geschlossen hatte, bezogen sie beiderseits Nicks und Morns Aufstellung.
Der Arzt betrachtete sie beide nacheinander: Möglicherweise versuchte er zu erraten, wer von ihnen der ›vorgebliche Human-Kapitän Nick Succorso‹ sein könnte. Dann nahm er mit einer resoluten Bewegung die Injektionsnadel in seinem Hauptarm.
»Die Vereinbarung verlangt«, sagte die fremde Stimme in Morns Helmfunk, »daß Sie einen Deziliter Ihres Bluts spenden.« Der Arzt hob die Injektionsnadel. »Wenn Sie die Zusage erfüllt haben, erhalten Sie diese Kredit-Obligation.« Eine der sekundären Hände öffnete sich und zeigte eine in Größe und Aussehen Morns Id-Plakette ähnliche Kredit-Wertmarke vor, die durch die Verträge zwischen Amnion und VMK vorgesehene Form des Zahlungsmittels für den wirtschaftlichen Geldverkehr. »Danach wird der Fötus des weiblichen Menschen zu physischer Reife gebracht.« Ein drittes Ärmchen deutete auf die mit Brutkästen vergleichbaren Container. »Zum Ausdruck unserer Höflichkeit werden wir ihren Abkömmling mit Kleidung ausstatten.«
Standfest wie eine Säule wartete der Arzt auf Antwort.
Für einen langen Moment hatte es den Anschein, als ob Nick zögerte.
»Entspricht das nicht der ausgemachten Vereinbarung?« fragte der Amnioni.
Schroff streckte Nick die Hand aus. »Erlauben Sie, daß ich mir die Spritze ansehe.«
Der Arzt sprach etwas in sein Mikrofon. Diesmal hörte Morn aus dem Helmfunk nichts.
Stumm reichte der Amnioni Nick die Injektionsnadel.
Nick hielt sie gegen das Licht, besah sie sich aus verschiedenen Blickwinkeln. Sobald er sich davon überzeugt hatte, daß die Phiole leer war – keine Mutagene enthielt –, gab er sie zurück.
Unvermindert grobschlächtig, als ob jede Regung ihn Mühe kostete, öffnete er den linken Handschuh und zog ihn aus; dann rollte er den Ärmel des EA-Anzugs vom Unterarm hoch.
»Ich habe immer geglaubt, daß die Amnion ihren Handel ehrlich betreiben«, sagte er. »Aber für den Fall, daß diese Auffassung sich als falsch herausstellt, habe ich dafür gesorgt, daß der gesamte Human-Kosmos es erfährt.«
Verschwommen hoffte Morn, daß Kultur oder Erfahrungen der Amnion es ihnen verwehrten, den Bluff eines furchtgeplagten Menschen zu durchschauen.
»Im Gegensatz dazu ist die menschliche Falschheit konstatierte Realität«, erwiderte die fremde Stimme. »Wir akzeptieren die Risiken des Handels, weil das, was Sie anbieten, für uns einen Nutzen hat.
Dennoch müssen bei der Erfüllung der Ansprüche Sie den Anfang machen.«
»Na, was soll’s«, murmelte Nick bei sich. »Das gibt ’ne wilde Geschichte, selbst wenn ich zum Schluß der Dumme sein sollte.«
Ruckartig hob er seinen Unterarm der Injektionsnadel entgegen.
Sofort packten zwei der sekundären Arme des Mediziners Nicks an Handgelenk und Ellbogen. Effizient und präzise drückte der Amnioni die Nadel im Bereich der großen Adern in den Unterarm; kräftigrotes Blut quoll in die Phiole.
Einen Moment später hatte das Gefäß sich gefüllt. Der Arzt zog die Nadel heraus.
Nick streifte mit bebenden Händen und unterdrückt fluchend seinen Ärmel hinunter; er schob die Finger in den Handschuh, versiegelte ihn wieder. Morn malte sich aus, wie er jetzt auf die Kapsel mit dem Impfstoff biß und ihn schluckte. Doch der Gedanke an das Medikament verstörte sie nicht mehr. Eine abartige, von vollkommener Klarheit gekennzeichnete Ruhe, die an den Irrsinn des Hyperspatium-Syndroms zu grenzen schien, füllte ihren Kopf aus. Ihr war, als schwebte sie einige Zentimeter über dem Fußboden, während sie zuschaute, wie der Amnioni Nick die Kredit-Obligation übergab, Nick sie in eine seiner Anzugtaschen steckte.
Insgeheim wiederholte sie ständig, als wäre er ein Mantra, den Namen ihres Sohns.
Davies. Davies Hyland.
Wenn irgendein Teil ihrer selbst es verdient hatte, gerettet zu werden, dann
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