Amnion 2: Verbotenes Wissen
»welchen Bedarf haben wir?«
Kurz vorher hatte der Bordtechniker von sich behauptet, nicht gut genug zu sein, um den Ponton-Antrieb zu reparieren. Zudem war seinem Betragen zu entnehmen gewesen, daß ihm die Vorstellung, Davies den Amnion zu verkaufen, gar nicht behagte. Aber er war einer von Nicks Leuten: Vor Marc Vestabule ließ er sich von seinen Zweifeln nichts anmerken. »Wir brauchen einen Hysteresis-Transduktor und einen Modulationsregler für den Hyperfeldgenerator«, teilte er so munter mit, als hätte die Frage ihn aufgemöbelt. Während des Sprechens nahm seine Stimme einen schärferen Tonfall an. »Und wir müssen spezialgefertigte Adapter zum Zusammenschließen menschlicher und amnionischer Apparaturen haben.«
Der Unterhändler nickte. Offenbar hatte er sich auf diese geschäftlichen Verhandlungen sorgfältig vorbereitet. »Das ist akzeptabel. Die Harmonisierung der Zwecke wird durch die gegenseitige Erfüllung der Ansprüche erreicht.«
Diesmal wiederholte Nick die rituelle Formel nicht. »Wann können wir die Sachen bekommen?« fragte er statt dessen.
Wieder hatte es den Anschein, daß Vestabule die Schultern hob. »Die Ersatzteile sind unverzüglich lieferbar. Derartige Adapter stehen kurz vor der Gebrauchsreife. Wir haben ein Interesse an der Möglichkeit, eine harmonisierende Kompatibilität menschlicher und amnionischer Technik zu etablieren. Darum sind schon Entwürfe konzipiert und Zuchtmaßnahmen eingeleitet worden. Wenn Ihr Bordtechniker uns spezifizierte Informationen über Montage, Kontakte und Ladungsstärke nennt, kann das Wachstum geeigneter Adapter umgehend abgeschlossen werden.«
Nicks Gesicht blieb von Morn abgewandt, als er das Angebot annahm, so daß sie seine Miene nicht erkennen konnte. »Na gut«, sagte er halblaut. »Die Harmonisierung der Zwecke wird durch die gegenseitige Erfüllung der Ansprüche erreicht.«
Davies, der noch immer der Länge nach auf dem Deck lag, versuchte eine Beschimpfung zu schnauben. Aber Lietes Waffe hielt ihn nieder; er konnte sich weder rühren, noch hatte er Gelegenheit, Einspruch zu erheben.
»Mein Bordtechniker wird die Spezifikationen in zehn Minuten übermitteln«, fügte Nick deutlicher hinzu. »Wenn die Ersatzteile und die Adapter zur Übergabe bereit sind, wird die Abwicklung des Geschäfts in unserer Luftschleuse stattfinden. Ein Amnioni bringt uns, was wir benötigen, in die Schleuse. Einer von uns wartet dort als Wächter mit dem ›menschlichen Nachfahren‹. Dann erfolgt der Austausch. Anschließend machen wir dicht. Sobald die Reparaturen beendet sind, fliegen wir ab. Ist das klar? Keine Verzögerungen, keine Hindernisse. Sie teilen uns eine Abflugstrajektorie zu, und wir zischen ab, so schnell wir können.«
»Das ist akzeptabel«, stellte Vestabule klar.
»Worauf warten Sie dann noch?« fuhr Nick ihn herb an. »Hauen Sie ab! Ich kriege die Krätze, wenn ich Sie bloß sehe.« Ohne Zaudern und ebenso ohne Hast erhob der Unterhändler sich aus dem Andrucksessel.
»Morn«, stöhnte Davies. Vielleicht bat er sie um Hilfe. Oder vielleicht hatte er sich in ihren Erinnerungen verirrt, versuchte trotz der Kopfschmerzen und des Drucks auf seiner Wirbelsäule zu begreifen, wer er eigentlich wirklich sein mochte.
Morn verhärtete ihr Herz und wandte sich an Mikka.
Die Erste Offizierin hatte sich wieder neben der Durchgangsblende aufgestellt. Bevor irgendwer eingreifen konnte, ging Morn auf sie zu. »Ich gehe in meine Kabine«, sagte sie laut genug, um allgemein gehört zu werden, zu Mikka. »Ich denke mir, daß ihr mich einsperren wollt. Aber das könnt ihr ja von hier aus tun.«
In Mikkas Augen gähnte solche Dunkelheit, daß sie mit Blutergüssen umrandet zu sein schienen, aber sie wichen Morns Blick nicht aus.
»Sag’s mir, wenn der Austausch stattfindet«, ergänzte sie mit leiserer Stimme. »Bitte. Ich kann ihn nicht mehr retten, und ich weiß, daß Nick mich nicht mit ihm sprechen lassen will. Aber selbst wenn er mich nicht hören kann, möchte ich zum richtigen Zeitpunkt Lebewohl sagen. Das brauche ich einfach.«
Mikka erwiderte Morns Blick; ein Winkel ihrer Oberlippe zuckte, als wollte sie feixen oder die Zähne zeigen. Im nächsten Moment nickte sie.
Dem Amnion-Unterhändler und der Ersten Offizierin um mehrere Schritte voraus, verließ Morn das Kommandomodul.
Nick wußte jetzt von ihrem Z-Implantat. Ihr Sohn war verschachert worden.
Es gab keinen Grund mehr, warum sie sich hätte Mäßigung auferlegen
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