Amnion 2: Verbotenes Wissen
nickte Liete. Halb torkelte sie, während sie die Impacter-Pistole an sich nahm und die Hilfssteuerwarte verließ.
Nick war wieder zum Grinsen imstande. »Du bist erledigt«, meinte er zu Morn, unverändert so nah zu ihr herabgebeugt, als hätte er vor, sie zu besänftigen. »Ich hoffe, das ist dir klar… Und ich hoffe, daß du daran krepierst! Mit dieser beschissenen Elektrode im Kopf bist du kein Mensch, du kannst vielleicht jahrelang ohne Ruhepause auskommen, was weiß ich. Aber du bist trotzdem erledigt. Und zwar wegen des Hyperspatium-Syndroms. Wir werden in Richtung Human-Kosmos fliegen. Sobald Vector sagt, daß wir fertig sind, fangen wir mit der Beschleunigung an. Soviel Zeit bleibt dir noch. Du hast erwähnt, bei Nullgeschwindigkeit in die Tach zu wechseln, aber du weißt genau, das können wir nicht. Stationäre Objekte haben im Hyperfeld die Tendenz, an ihren Ausgangspunkt zurückzustürzen. Langsame Objekte neigen dazu, das Ziel zu verfehlen. Wir müssen eine gewisse Geschwindigkeit erreichen, und das bedeutet Hoch-G-Belastung. Außer du willst mit dem Beschleunigen Wochen vertrödeln.«
Und hohe Schwerkraft löste Morns Hyperspatium-Syndrom aus.
»Das sind Sachverhalte, an denen es nichts zu rütteln gibt. Du hast das alles ja nicht auf dich genommen, um uns dann in einer Stunde doch zur Explosion zu bringen. Bevor wir in die Tach überwechseln, mußt du mir das Raumschiff wieder abtreten. Und von da an kannst du mich nicht mehr erpressen. Du kannst mich nicht daran hindern, umzukehren und das Arschloch bei den Amnion abzuliefern. Wir ziehen hier bloß ’ne Schau ab, ’s ist nur Theater. Sobald du erst deinem Hyperspatium-Syndrom erliegst, nehme ich mir dich vor.«
Morn lachte ihm in die Visage.
Natürlich stimmte, was er anführte. Aber sie hatte die Absicht, auch dieses Hindernis zu überwinden. Sie stand schon so kurz vor dem Hyperspatium-Syndrom, wie sie hinzunehmen den Willen hatte.
Währenddessen hatte sie die Genugtuung, den Zweifel wie Blitzschlag den finsteren Hintergrund seines Blicks durchzucken zu sehen.
In regelrechter Betroffenheit wich er zurück. »Du bist übergeschnappt«, krächzte er; doch es fehlte der Äußerung jede Überzeugungskraft. Abermals machte das Z-Implantat Morn zu mehr, als sie war; befähigte sie dazu, Nick zu trotzen.
Er kehrte ihr ruckartig den Rücken zu, um seinen Verdruß zu verheimlichen, und stapfte zur Hilfssteuerwarte hinaus.
Sich selbst überlassen, lachte Morn wie eine Irre.
Sie wußte, daß sie in diesem Konflikt letzten Endes nicht die Oberhand behalten konnte. Wahrscheinlich überlebte sie ihn nicht. Nick mußte irgendwann die Herrschaft über sein Raumschiff zurückgewinnen; ihr Hyperspatium-Syndrom machte diesen Ausgang unvermeidlich. Aber zumindest blieben sie und ihr Sohn sicher vor den Amnion. Wenn sie starben, dann auf so brutale Art, wie Nick es überhaupt nur ausbrüten konnte – doch wenigstens starben sie als Menschen.
Und noch gab es eine Chance, daß es ihr gelang, Nick umzustimmen. Seine Zweifel hatten Ähnlichkeit mit einer tektonischen Spalte, sie durchzogen den Kern seiner Persönlichkeit. Falls sie entdeckte, was seinen Schwebezustand aufrechterhielt, konnte sie vielleicht Veränderungen bewirken…
Aus irgendeinem Grund strömten ihr, als ob sie weinte, Tränen die Wangen hinab.
Später. Über diese Dinge konnte sie sich später Sorgen machen. Gegenwärtig hatte sie andere Probleme.
»Nick«, meldete Liete sich per Interkom, »er ist an Bord. Er sagt, sie hätten keine Zeit gehabt, um sich irgendwie an ihm zu versündigen. Im übrigen ist er sauber, soweit ich’s feststellen kann.«
»Sperr ihn irgendwo ein«, befahl Nick unverzüglich. »Ich wünsche nicht, daß er im Schiff rumläuft.«
»Davies«, fragte Morn dazwischen, erstickte fast an einem Kummer, für den sie keine Worte fand, »geht’s dir gut?«
»Wenn man Wehrlosigkeit ›gut‹ nennen kann, ja«, antwortete er in einem so unnatürlichen Ton, daß er Morn unwillkürlich an seinen Vater erinnerte.
Für einen Augenblick empfand Morn derartig tiefe Erleichterung, daß sie die Emissionen des Z-Implantats beinahe überlagerte.
Sie erwog die Forderung, Davies zu ihr zu schicken, aber entschied sich dagegen. Behauptete sie, sie sei die Käptens Liebchen und Station Potential zu zersprengen bereit, nur um Davies das Eingeschlossenwerden zu ersparen, konnte die Folge nichts als eine Schmälerung ihrer Glaubwürdigkeit sein. »Paß auf dich auf«, empfahl sie
Weitere Kostenlose Bücher