Amnion 2: Verbotenes Wissen
Ehe er es wagen konnte, irgendwie gegen sie vorzugehen, mußte er abklären – oder erraten –, auf was für Sicherheitsvorkehrungen sie sich verließ. Und das mochte Zeit brauchen.
Möglicherweise dauerte es so lange, daß die Käptens Liebchen unterdessen das Hyperspatium durchquerte.
Und sobald Nick sich wieder im Human-Kosmos befand, überlegte er es sich unter Umständen noch einmal, ob er seine den Amnion gegebene Garantie tatsächlich einhalten wollte.
Morns Arrangements zu verwirklichen, beanspruchte geraume Zeit. Sie waren kompliziert, und Morns Erinnerung schwand. Trotz der Einflußnahme der Elektrode in ihrem Hirn zehrte die emotionale Auslaugung an ihren Kräften.
Am Rande ihres Bewußtseins bemerkte sie das stetige Anwachsen der Gravitation, während die Käptens Liebchen den Schub steigerte.
Von der Brücke hörte sie eine Meldung Carmels: Die Friedliche Hegemonie und Stiller Horizont hatten die Verfolgung der Käptens Liebchen aufgenommen.
Unvermittelt betrat Mikka den Raum. Ohne zu zögern setzte sie sich mit ihrer gewohnheitsmäßig düsteren Miene an die zweite ScanningKontrollkonsole. »Nick schickt mich«, erklärte sie, »damit ich ’n Auge auf dich habe. Keine Sorge, ich will mich nicht mit dir anlegen.«
Eine neue Gefahr. Mikka würde sie bei erhöhter G-Belastung im Zustand der Hilflosigkeit sehen. Um sich abzusichern, senkte Morn den Finger wieder auf die Taste mit der Bordchronometer-Funktion. Aber ihre Aufmerksamkeit zerfranste: Ihr Fenster geistiger Klarheit schrumpfte. Sie mußte sich mit ihren Vorbereitungen abmühen. Sollte ihr ein Fehler unterlaufen, triebe die G-Belastung sie in den Wahnsinn…
»Ich weiß echt nicht, Nick«, hörte sie durch die Interkom Vector zu Nick sagen, »was ich davon halten soll.«
»Ich bin in keiner Laune zum Rätselraten«, entgegnete Nick. »Sag, was los ist!«
»Soweit ich’s feststellen kann, funktionieren die neuen Teile reibungslos«, lautete Vectors Antwort. »Wie’s aussieht, verkraften sie die Energetisierung voll, und der Status ist stabil. Aber, Nick…« – für einen Augenblick schwieg Vector – »einige der Tests lassen sich nicht mehr durchführen. Sie ergeben keine Resultate. Der Rest ist auf Grün, alles liegt in der Mitte der Toleranzwerte. Aber diese anderen… Das kann fünfzig mögliche Ursachen haben. Um sie alle zu überprüfen, brauchte ich einen Monat.«
»Scheiß drauf!« schnob Morn ins Interkom-Mikrofon.
»O nein!« brüllte Nick. »Das laß ich nicht zu. Morn, dir wird die Zeit knapp. Du kannst nicht einen Monat lang im Wachzustand an der Tastatur sitzen. Und ich habe auf keinen Fall vor, ’n Flug durchs Hyperspatium zu riskieren. Die G-Belastung wäre zu hoch, du würdest die Selbstvernichtung auslösen. Und falls der Ponton-Antrieb ausfällt, werden wir im Hyperfeld geschmort. Sieh den Fakten ins Auge, Morn. Es gibt für dich keinen Ausweg mehr.«
Abgrundtiefe, kalte, schon vertraut gewordene Furcht beengte Morns Kehle. Sie mußte sich mit Nachdruck zu einer Erwiderung zwingen. »Und wenn wir einen Monat lang mit Testprogrammen herumexperimentieren, hat man auf Potential reichlich Zeit, um zu klären, daß du betrogen hast. Und dann eröffnen die Kriegsschiffe das Feuer auf uns.«
Dieses Argument konnte er nicht ignorieren: Er mußte es berücksichtigen.
»Ich lasse euch zehn Minuten Frist, um Fahrt aufzunehmen«, fügte Morn unerbittlich hinzu. »Ich stelle jetzt den Zeitschalter ein.« Ihre Finger tippten Befehle. »Danach bin ich mit euch fertig. Dann findet die Selbstvernichtung statt.«
»Morn«, rief Vector, »und was ist mit deinem Hyperspatium-Syndrom?«
So nachdrücklich, wie sie es nur konnte, brachte sie die Säulen, die Nick trotz seiner Zweifel inneren Halt gaben, ins Wanken. »Gottverdammt noch mal!« Sie schrie so laut, weil sie Entsetzen empfand. »Zum Teufel, was denkst du eigentlich, warum ich ein Zonenimplantat habe?«
Sollte Nick glauben, sie sei nicht hilflos. Sollte er meinen, sie brauchte, um vor den Auswirkungen des Hyperspatium-Syndroms sicher zu sein, nicht im Schlaf zu liegen. Morn hoffte inständig, daß er darauf hereinfiel.
An der Art und Weise, wie Nick schimpfte und fluchte, erkannte sie, daß er ihr Glauben schenkte.
»Anschnallen für Vollschub!« dröhnte seine Stimme per Interkom durchs ganze Raumschiff. »Dreißig Sekunden bis zum Durchstarten.« Umgehend schnauzte er Anweisungen für Vector und den Steueranlagen-Hauptoperator.
Dreißig Sekunden. Die Zeitspanne
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