Amnion 2: Verbotenes Wissen
zwängte den Verschluß ihrer Bordmontur einige Zentimeter weit auseinander. Sie krallte ihre Finger in die Lücke und begann die Montur aufzureißen.
Morn langte mit der freien Hand nach der Impacter-Pistole.
Plötzlich fiel der Schloßmechanismus des Eingangs aus. Ein roter, gebündelter Lichtstrahl flammte kurz, erlosch. Die Tür rollte aus Nicks Weg.
Er stob in den Raum wie eine Sonneneruption. Seine einzige Waffe war der Schweißlaser, die einzige Waffe, die er brauchte. Seine Narben glichen Säurespritzern, die sein Gesicht zerfraßen, die Augen Schwarzen Löchern. Ein, zwei Schritte hinter der Schwelle blieb er stehen. Zielgenau wie ein Industrieroboter richtete er den Laser auf Morns Brust und knipste ihn an.
Er verfehlte Morn, weil Liete sich gegen den Lauf des Lasers warf.
Rote Verwüstung erfaßte den Bildschirm hinter Morns Schulter. Der Monitor zerschmolz, ehe Nick den Laser außer Betrieb setzte.
An den Laser und Nicks Arm geklammert, zog Liete ihn auf den Fußboden. Er versuchte Liete mit dem Griff des Lasers wegzustoßen, doch sie wälzte sich beiseite, schwang sich auf ihn. »Nick, hör mir doch zu!« kreischte sie ihm ins Gesicht. Tröpfchen ihres Bluts sprenkelten sein Gesicht. »Wenn du’s willst, knöpf ich sie mir eigenhändig vor. Ich geh hin und auf sie los. Aber erst hörst du mir zu! Hör doch mal her! Sie hat den Selbstvernichtungsbefehl an die Bordchronometeranzeige gekoppelt, und sie hat den Finger auf der Taste!«
Sobald er ihre Warnung verstand, verharrte Nick.
»Wenn du ihr was tust«, erklärte Liete, »du oder irgend jemand anderer, braucht sie nur den Finger zu heben. Sie muß nicht mal noch am Leben sein, um das zu schaffen. Wir könnten die Explosion nicht mehr abwenden. So nah läßt sie uns nicht ran.«
»Und außerdem habe ich eine Waffe«, bemerkte Morn im Tonfall mörderischer Genugtuung. Sie legte die Impacter-Pistole an. »Ich schieße bestimmt nicht daneben. Auf diese Entfernung nicht. Auf gar keinen Fall, wenn ich die Gelegenheit habe, den Mann abzuknallen, der meinen Sohn an die Amnion verkauft hat.«
»Dann erschieß mich!«
Nick schwenkte den Schweißlaser über seinen Körper, schüttelte Liete ab. Sie japste, als hätte er ihr die Rippen gebrochen, und prallte auf die Seite.
»Dann erschieß mich sofort!«
Er sprang auf, stellte sich geradewegs in Morns Schußlinie und richtete den Laser auf ihre Nasenwurzel.
»Aber mein Raumschiff überlasse ich dir nicht!«
Doch er schoß nicht.
So wenig wie Morn.
Sie hätte ihn mit dem größten Vergnügen umgelegt. Der bloße Gedanke daran, den Finger um den Abzug zu krümmen, bereitete ihr ein Wonnegefühl. Zu gerne hätte sie jetzt gesehen, wie sein Gesicht unter der Impacter-Einwirkung barst und zerfetzte, sie wünschte es sich so inbrünstig, daß ihr davon schwindelte.
Trotzdem schaffte sie es, sich zu beherrschen.
»Du dreckiger Schuft«, beschimpfte sie ihn, als scherte es sie nicht mehr, was er tat. Mit einer verächtlichen Gebärde der Hand schleuderte sie ihm die Pistole vor die Füße. »Gewöhn’s dir endlich ab, mit den Eiern zu denken, und benutze statt dessen dein Gehirn! Hier entscheiden die nächsten Minuten über Leben und Tod, und dir fällt nichts Gescheiteres ein, als uns das Ende noch schneller einzubrocken.« Mit dem Kinn wies sie auf ihren Finger, der unentwegt die Taste niederdrückte. »Aber wenn du mich in Ruhe läßt, könnt’s sein, daß wir alle ungeschoren durchkommen. Falls Vector seine Sache gut macht.«
Liete rappelte sich mit vor Schmerz unbeholfenen Bewegungen hoch. Aus einer Platzwunde in ihrer Wange sickerte frisches Blut, vereinte sich mit dem Blutrinnsal aus ihrer Stirn. Ihre Augen stierten glasig, sie blieb offenbar nur mit Mühe bei Besinnung. Aber immerhin konnte sie auf eigenen Beinen stehen.
Nick hatte verdutzt die Augen aufgesperrt, als Morn die Waffe fortwarf; seine Fäuste am Laser lockerten sich jedoch nicht. Doch seine Narben waren beinahe so bleich wie sein Gesicht geworden. Er sah aus, als ob ihm das Herz blutete.
»Du bluffst«, knirschte er halblaut durch die Zähne.
»Genau das denkt Potential auch«, entgegnete Morn. »Eben deshalb kann’s sein, daß wir bald den Löffel abgeben. Aber du brauchst dich nicht aufs Glauben zu beschränken. Sprich mit Mikka. Sie hat noch die meisten Befehlsfunktionen verfügbar. Dadurch kann sie nachprüfen, was ich getan habe. Bloß ist es ihr, weil ich die Prioritätscodes annulliert habe, völlig unmöglich, es
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