Amnion 2: Verbotenes Wissen
wesentlich früher als er fertig.
Als er sah, daß sie gegessen hatte, stand er auf, füllte Kaffee in zwei Becher, stellte sie auf den Tisch und nahm wieder Platz. Wortlos aß er weiter, räumte Morn Zeit ein, um eine gewisse Gefaßtheit zurückzugewinnen. Vielleicht hatte er seine Gründe, weshalb er wollte, daß sie sich beruhigte. Oder vielleicht war er von Natur aus höflich; oder sogar ein gütiger Mensch. Was seine Motive auch sein mochten, Morn nutzte die Chance, die sich ihr bot.
Von neuem war sie auf alles vorbereitet, als er seinen Teller beiseite schob.
»Wie lange sind wir mit Hoch-G geflogen?« fragte sie; mit seiner Sanftmut konnte sie nicht konkurrieren, aber sie gab sich alle Mühe, beim Reden einen aufgelockerten Eindruck zu erwecken.
»Vier Stunden.«
Morn wölbte die Brauen. »Das ist reichlich G.«
Vector trank einen Schluck Kaffee, bevor er beipflichtete. »Ungefähr soviel, wie einige von uns maximal durchhalten können, selbst bei Medikation. An sich war’s zuviel. Aber wir möchten uns nichts in die Quere kommen lassen. Vor einer Stunde ist der Schub beendet worden. Gegenwärtig scannen wir wie die Irren alles ab. Falls jemand unsere Verfolgung aufgenommen hat, müssen wir noch mal losheizen, ob wir’s aushalten oder nicht. Bis jetzt…« Er spreizte die Hände.
»Als wir die G reduzierten, hat Mikka versucht, dich per Interkom zu wecken. Du hast dich aber nicht gemuckst. Daß du noch lebst, stünde fest, sagte sie, sie konnte dich nämlich« – sein Lächeln verbreiterte sich ein wenig – »schnarchen hören. Es ist ihr bloß nicht gelungen, dich aufzuwecken. Nick hatte ihr das Brückenkommando übertragen, um sich selbst etwas Erholung zu gönnen. Darum haben Orn und ich uns freiwillig gemeldet, um nachzuschauen, was wir für dich tun könnten.«
Morn schwieg dazu. Sie dachte angestrengt nach. Vier Stunden bei voller Beschleunigung bedeuteten eine wahrhaft höllische G-Belastung. Derartiger Druck konnte Menschen ums Leben bringen. Nick hatte es nicht einfach nur eilig; er hatte offenbar größte Eile, es womöglich sogar verzweifelt eilig.
Aber sie hatte die Krise durchgestanden. Sie hatte den Irrsinn des Hyperspatium-Syndroms verschlafen – und damit einen Weg gefunden, ihm zu entgehen. Das gab ihr Anlaß zum Hoffen, zu mehr Hoffnung, als sie sich versprochen hatte. Und das genügte ihr fürs erste.
Um kein Schweigen entstehen, aber Morn ein Weilchen Zeit zum Überlegen zu lassen, redete Vector unentwegt drauflos.
»Wir haben etwa zwei Drittel unserer theoretischen Höchstgeschwindigkeit erreicht. Falls wir nochmals Vollschub geben müssen, ist es nötig, die Triebwerke nach zwei Stunden abzuschalten. Für ein Raumschiff dieser Größe ist unser Antrieb ziemlich stark, aber jedes Aggregat kann nur soundsoviel Schub erzeugen. Danach müßten wir antriebslos fliegen. Es sei denn, jemand verfolgt uns. In dem Fall erfahren wir mehr über die Wirkungen der Hoch-Gravitation, als es uns lieb ist. Ohne verläßlich funktionsfähigen Ponton-Antrieb bleiben uns nur beschränkte Optionen offen. Aber auch wenn niemand uns folgt, werden wir uns noch wünschen, ’n funktionstüchtigen Ponton-Antrieb zu haben. Egal auf welche Geschwindigkeit wir’s bringen, ausreichen wird sie nicht. Wir werden sehr lang unterwegs sein.«
Diese Ankündigung riß Morn aus ihrer Versonnenheit; sie klang auffällig nach einem Angebot, sie mit Informationen zu versehen. Rasch ging sie, indem sie sich innerlich zur Entschlossenheit aufraffte, darauf ein.
»Wie lange? Einige Wochen?«
Vector blickte in seinen Kaffeebecher. »Wohl eher Monate.«
Lautlos wiederholte Morns Mund das Wort: Monate?
»Wir müssen ’n Umweg fliegen. Sollte irgend jemand uns folgen – der KombiMontan-Stationssicherheitsdienst oder die VMKP –, stecken wir in großen Schwierigkeiten. Deshalb fliegen wir gegenwärtig noch in Gegenrichtung des Ziels, das wir in Wirklichkeit haben. Würdest du unser Raumschiff besser kennen – oder hättest du ’n besonders gutes Gehör –, könntest du merken, daß wir momentan ’ne Kurskorrektur vornehmen, allerdings bloß ganz graduell. Wir möchten während des Beidrehens das Risiko vermeiden, irgendeinem anderen Raumer zu begegnen oder womöglich von ’m Verfolger überrascht zu werden.«
Es handelte sich zweifellos um eine nur sehr graduelle Kurskorrektor. Im allgemeinen erwies sich Morns normaler Gleichgewichtssinn als hinlänglich empfindsam, um ihr anzuzeigen, wenn G-Belastung
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