Amnion 2: Verbotenes Wissen
die Hilfssteuerwarte; ließ Morn allein an der Datensysteme-Kontrollkonsole sitzen, während ihr die Tränen übers Gesicht strömten, als wäre sie unwiderruflich die Unterlegene.
Natürlich hatte sie noch gangbare Optionen. Es wäre leicht, die zweite Datensysteme-Kontrollkonsole zu aktivieren und eine neue Totallöschung herbeizuführen. Dann konnte sie sich, falls sie rasch genug handelte, einen EA-Anzug aneignen und hatte somit eine Chance, um ihre Id-Plakette ins Weltall zu schleudern, wo niemand sie jemals wiederfinden könnte. Hätte sie Erfolg – benutzte sie die Lenkdüsen des EA-Anzugs, um schleunigst möglichst viel Abstand zwischen sich und die Käptens Liebchen zu bringen –, entging sie vielleicht den Grausamkeiten, die Nick und seine Crew ihr ohne Zweifel noch antäten, ehe sie allesamt sterben müßten. Sie käme ums Leben, wenn die Atemluft des EA-Anzugs verbraucht wäre; sie würde allein im weiten Dunkel ersticken. Doch wenigstens hätte sie mit ihrem Tod etwas erreicht.
Den Untergang Nick Succorsos.
Vor erst so kurzer Zeit wie nur zwei oder drei Wochen hätte sie eventuell diesen Versuch unternommen. Da war sie für so etwas noch verzweifelt genug gewesen.
Jetzt jedoch verwarf sie diese Möglichkeit.
Sie hatte sich viel zu stark verändert, um noch Selbstmord in Betracht zu ziehen.
Angesichts des Ultimatums Nicks wollte sie nun wissen, um was das alles sich eigentlich drehte. Was seine Nachricht an das VMKP-HQ auch enthalten haben mochte, mit der erpresserischen Einholung eines Angebots hing sie nicht zusammen. Seine Kenntnis der Koordinaten des Lauschpostens bewies, daß er schon lange mit der VMKP zu tun hatte; in einer Art von Beziehung zu ihr stand, die es erforderlich machte, zueinander in Verbindung zu bleiben.
Vector Shaheed sah Anlaß zu der Überzeugung, daß die Astro-Schnäpper selbst Dreck am Stecken hatten; daß es sich sogar auch bei ihnen um Verräter an der Menschheit handelte. Falls er recht hatte, bedeutete das, Nick war in etwas weit Schlimmeres als gewöhnliche Raumpiraterie verwickelt.
Und wenn Morn in den Tod ging, starb mit ihr der kleine Davies Hyland.
Es überraschte sie, daß ihr daran lag, ihn zu retten. Auf bewußter Ebene hatte ihre Behauptung, ihn behalten zu wollen, nur eine Nebelwand abgegeben, um ihre wahren Gründe, weshalb sie nicht auf Thanatos Minor verkauft werden mochte, zu verdecken. Aber nun erkannte sie, daß ihre Behauptung stimmte. Vielleicht wollte sie ihren Sohn haben, weil sie sich so gegen Nick aufbäumen konnte; möglicherweise wirklich um ihrer selbst willen; oder unter Umständen deshalb, weil sie Davies’ Namen nicht auch noch auf der Liste ihrer Opfer sehen wollte; vielleicht stand sie ganz einfach zu nachhaltig unter Druck, um sich dem Einfluß ihrer Hormone widersetzen zu können; sie wußte es nicht. Was auch die Erklärung sein mochte, die Schlußfolgerung war völlig klar: Sie hatte die Bereitschaft entwickelt, um das Leben ihres Kindes zu kämpfen.
Das besagte, sie mußte ein Mittel gegen Orn Vorbulds Virus finden.
So lautete der Beschluß, zu dem sie gelangte. Sich dessen bewußt, was sie tat, durch volle Kenntnis der Situation zum Handeln gedrängt, ließ sie sich auf Nicks Bedingungen ein, so wie sie vorher Angus Thermopyles Bedingungen akzeptiert gehabt hatte.
Oberflächlich besehen, mußte sein Ansinnen als lächerlich gelten. Sie verstand von derartigen Dingen nicht mehr als er. Wo sollte sie anfangen? Was könnte sie unternehmen, was noch niemand versucht hatte? Wie weit konnte sie mit ihren Bemühungen gehen, ehe ihr Versagen feststand – bis Nick sie zwang, ihr Scheitern zuzugeben?
Dennoch machte sie sich mit vollem Einsatz an den Versuch.
Ungeachtet des Risikos ging sie dazu über, das Kontrollgerät des Z-Implantats wieder bei sich zu tragen.
Natürlich war es nötig, weiterhin mit Nick zurechtzukommen. Aufgrund seiner Verärgerung über ihr Aufbäumen – und vielleicht in der Absicht, ihren Erfolg zu verhindern –, betrieb er von nun an mit ihr Sexualität als Herrschaftsinstrument statt als Quelle des Wohlbefindens: nahm sie brutal an den unerwartetsten Örtlichkeiten, zu unvermuteten Zeitpunkten, während sie sich auf andere Angelegenheiten konzentrieren mußte. Und doch hing ihr Überleben immerzu von ihrer Fähigkeit ab, die Illusion unbedingt aufrechtzuerhalten, sie sehnte sich nach ihm, gleich was er tat, daß sogar Vergewaltigung ihre Liebe zu ihm anheizte. Ohne ihr schwarzes Kästchen
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