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Amnion 2: Verbotenes Wissen

Amnion 2: Verbotenes Wissen

Titel: Amnion 2: Verbotenes Wissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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hätte sie die Fassade nicht einmal für fünf Minuten stützen können, auf keinen Fall an all den langen Tagen, die sich anschlossen.
    Gleichzeitig hatte sie das Z-Implantat nötig, um ihre Aufmerksamkeit sammeln, die Ermüdung unterdrücken, ihre Furcht eindämmen zu können. Sie mußte in Mikkas Schicht ihren Dienst versehen – und sich Nick hingeben, wann er gerade entsprechende Laune hatte. Infolgedessen blieben ihr täglich nur wenige Stunden, um sich mit dem Problem des Virus zu befassen; zuwenig Zeit für eine solche Herausforderung. So häufig es sich machen ließ, zog sie es vor, auf den Nachtschlaf zu verzichten.
    Sie sprühte beinahe vor künstlich hervorgerufenen Kräften und opferte buchstäblich ihre gesamte Freizeit, um in der Hilfssteuerwarte zu hocken und über den Computerprogrammen der Käptens Liebchen zu grübeln, sie mit jedem verfügbaren diagnostischen Test zu untersuchen, über ihrem logischen Aufbau zu brüten, sie in ihre Komponenten zu zerlegen und diese gesondert ihrem Kontrollpult zu laden, um ihre Funktionsweise zu ergründen. Wenn sie schlief, dann nicht, weil sie Schlafbedürfnis verspürte, sondern weil sie wußte, daß ihr Körper Grenzen kannte, auf die das Z-Implantat keine Rücksicht nahm. Regelmäßig vernachlässigte sie das Essen. Ihr Verstand ähnelte einem Triebwerk auf Vollschub, das seinen Brennstoff in weißem, purem Feuer verbrannte, das der Entropie und Thermodynamik zu trotzen schien.
    Nach mehreren Tagen dieser Beanspruchung sah sie so ausgezehrt und hohläugig wie ein Kriegsopfer aus; aber sie wußte es nicht.
    Eine Woche und ein Teil einer weiteren Woche verstrichen, bis sie auf eine Lösung stieß.
    Als sie ihr einfiel, vergeudete sie keinen Augenblick mit der Frage, wieso sie sie nicht eher erkannt hatte, oder mit Verdruß über ihre Betriebsblindheit. Sie hatte zuviel zu tun.
    Die Lösung bestand aus einer Zeitstudie des Data-Nukleus.
    Genauer ausgedrückt, einer Begutachtung der grundlegenden Programme der Käptens Liebchen, wie der Data-Nukleus sie in chronologischer Reihenfolge als Kopien gespeichert hatte. Sie gab Morn die Möglichkeit, die ursprüngliche Programmierung mit den jetzigen Programmen zu vergleichen. Eine einfache Vergleichsuntersuchung konnte die Veränderungen aufspüren, die Orn in die Betriebssysteme geschrieben hatte.
    Allerdings verlangte eine derartige Überprüfung höchst komplizierte Vorbereitungen. Ein gewöhnlicher Eins-zu-eins-Vergleich zwischen dem gegenwärtigen Zustand der Daten und dem Zustand, in dem sie sich befanden, bevor Orn Vorbuld an Bord kam, hätte monatelang gedauert und Millionen von Diskrepanzen zu Tage gefördert, die Aufzeichnungen all dessen nämlich, was die Käptens Liebchen in der Zeit nach dem Stichtag, dem Tag der Datenspeicherung, von dem an die Daten verglichen werden sollten, unternommen und erlebt hatte. Folglich mußte Morn für die Ermittlung einen Filter einrichten, der von vornherein alles für den Zustand und die Funktionen der Programme Irrelevante aussortierte. Danach hatte sie die Informationssammlung nahezu Zeile um Zeile zu sichten, um alles von zweitrangiger Bedeutung auszusieben, alles was ohne Zweck das Vergleichen bremste.
    Diese Vorarbeiten beanspruchten nahezu vier volle Tage. Hätte Nick nicht darauf bestanden, sie so schwer zu belästigen, wären sie innerhalb dreier Tage zu bewältigen gewesen.
    Als sie ihr Vorhaben verwirklicht hatte – die Zeitstudie durchgeführt war und die Resultate vorlagen –, ereilte Morn ein so völlig spontaner, so elementarer Gefühlsausbruch, daß er die Emissionen des Z-Implantats unwirksam machte. Ihre artifizielle Krafterzeugung erlosch, überließ sie auf Gnade oder Ungnade ihrer Schwäche.
    Der Vergleich hatte ein eindeutiges Ergebnis erbracht. Von dem Tag an, bevor Orn an Bord kam, bis zu diesem Moment waren an den Betriebsprogrammen der Käptens Liebchen keine wesentlichen Änderungen, Löschungen oder Ergänzungen vorgenommen worden.
    Ihrer Zeitstudie zufolge gab es kein Virus.
    Ein ganzes Weilchen verging, bis Morn sich dessen bewußt war, daß sie auf der Datensysteme-Kontrollkonsole der Hilfssteuerwarte lehnte und vor sich hinschluchzte wie ein verwaistes Kind. In ihrer zwiespältigen Verfassung körperlicher Ausgelaugtheit, verständlichen Elends und aufgezwungener Kraftmeierei blieb ihr anscheinend nichts anderes übrig, als zu weinen.
    Nach einiger Zeit hörte Vector Shaheed ihr Schluchzen und betrat die Hilfssteuerwarte. Morn merkte gar

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