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Amnion 3: Ein dunkler, hungriger Gott erwacht

Amnion 3: Ein dunkler, hungriger Gott erwacht

Titel: Amnion 3: Ein dunkler, hungriger Gott erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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knackte. Holt Fasners Stimme schien in der Schwärze der Gravitationsquelle zu verschwinden, die das VMKP-HQ an seinen Orbit band.
    In einem Wutanfall erbitterter Bestürzung zerknüllte Godsen den Textausdruck seiner Befehle und schleuderte ihn an die Wand.
    Das alles war Warden Dios’ Schuld. Hätte er nicht die Regeln verändert, nach denen der RÖA-Direktor sein Leben organisiert hatte, wären Godsens Laufbahn, seine ehrgeizigen Bestrebungen und seine Existenz jetzt nicht in Gefahr. Mit voller Absicht – plötzlich war Godsen sich vollständig sicher, daß Dios vorsätzlich gehandelt hatte – zwang er ihn zur Entscheidung zwischen VMK und VMKP.
    Herrgott noch einmal, die VMKP gehörte zur VMK! Das blieb der einzige klare Gedanke in Godsens konfus gewordenem Kopf. Selbstverständlich mußte er sich nach dem richten, was der Drache verlangte, und auf die Konsequenzen pfeifen. Andernfalls wäre alles, was er bisher erlitten und geleistet hatte, vergeblich gewesen.
    Aber in dem Bleigewicht seiner Magengrube hielt sich der Glaube, ja das Wissen, daß Warden Dios niemals die Leute liquidierte, die er zu schützen geschworen hatte.
    Wenn ein Kaze auf Suka Bator in die Konzilsdeputiertenbüros im EKRK-Komplex vordringen konnte, um einen Anschlag auf Sixten Vertigus durchzuführen, war niemand noch sicher. Godsen Frik mußte sich fragen, wem er mehr mißtraute, Warden Dios’ Drang zum Selbstzerstörerischen oder Holt Fasners kannibalischer Menschenverachtung.
    Die zehn Minuten waren fast verstrichen, als er endlich genügend Mut aufbrachte, um seine Sekretärin anzurufen.
    »Die Kommunikationsabteilung muß das Gespräch aufgezeichnet haben, das ich vorhin mit Holt Fasner hatte«, sagte er zu ihr. »Geben Sie dort Bescheid, daß ich sofort einen Textausdruck auf Polizeipräsident Dios’ Schreibtisch haben will, und zwar als Blitz. Ich will, daß er den Text unverzüglich liest.«
    Seine Stimme zitterte nicht. Vielmehr klang sie sogar erheblich würdevoller, als er es je für möglich erachtet hätte.
    Dieser kleine Triumph verlieh ihm genug Courage, um sich die ihm niedergeschriebenen Mitteilungen Lens, Igensards und Carsins anzusehen und sich darüber Gedanken zu machen, was er ihnen antworten könnte.

 
MIN
     
     
    Auch Min Donner lagen neue Befehle vor. Ähnlich wie zuvor Godsen Frik fühlte sie sich mißbraucht, als wäre sie auf irgendeine Weise überrumpelt oder getäuscht, neutralisiert oder um etwas betrogen worden.
    Wie vorher Frik saß sie in ihrem Büro und grübelte über den ärgerlich undurchschaubaren Befehlen, versuchte ihren Sinn und Zweck zu deuten.
    Im Gegensatz zu ihm wußte sie allerdings, was sie zu tun hatte. Und sie hatte keine Furcht. Sie verspürte Zorn. Erschöpft, zerschlagen und nervlich zerschlissen, wie sie war, konnte sie mit nichts anderem mehr als Zorn reagieren.
    Inzwischen hatte sich ihr Gehör erholt: das war eine positive Entwicklung. Abgesehen von einem leisen, hohen Singen im obersten Bereich des hörbaren Tonspektrums blieben die Geräusche und Stimmen, die in ihre Ohren drangen, gänzlich unverzerrt. Aber alles übrige…
    Noch immer tat ihr von der Explosionswucht der Kaze-Bombe der ganze Körper weh. Für eine Zeitlang war der Schmerz zu einem gleichmäßig dumpfen Pochen abgesunken; Noradrenalin und Serotonin hatten es ihr erleichtert, ihn weitgehend zu ignorieren. Jetzt jedoch schwoll er wieder an, wurde stärker, der Körper forderte Aufmerksamkeit für seine Bedürfnisse. Min war, als hätte sie in Schultern und Hüften Arthritis; sie konnte sie kaum bewegen. Ihr Kinn schmerzte an den Seiten, als hätte sie tagelang mit den Zähnen geknirscht und beinahe die Kiefer ausgerenkt. Benommenheit und Verwaschenheit beeinträchtigten ihren Verstand, als wäre ihr Schädel rundum mit Polypropylen gepolstert worden. In unvorhersehbaren zeitlichen Abständen tropfte zu Mins größtem Ärger frisches Blut aus der Nase, offenbarte jedem in ihrer Umgebung ihre Schwäche.
    Hätte sie sich nur einen Moment lang Zeit genommen, um über ihre Situation nachzudenken, wäre ihr aufgefallen, daß sie das letzte Mal geschlafen hatte, bevor Angus Thermopyle und Milos Taverner von Warden Dios abschließend instruiert worden waren; daß sie – außer eines ihr von der Crew des Shuttles nach Suka Bator abgetretenes Sandwich – seit längerem nichts mehr gegessen hatte. Doch um an solche Dinge zu denken, hatte sie keine Gelegenheit gefunden. Schon das Attentat auf Sixten Vertigus hätte

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