Amnion 3: Ein dunkler, hungriger Gott erwacht
Granatwerfer sowie Handgranaten und sonstige Sprengmittel; alles in allem fand er genug Zerstörungspotential für eine ganze Söldnertruppe. Ein Inventarverzeichnis spulte sich in seinem Kopf ab, doch er beachtete sie nicht. Unerbittlich lief die Zeit ab. Er suchte sich ein paar Haftminen, einen kleinen Präzisionslaser und eine miniaturisierte Materiekanone heraus. ›Miniaturisiert‹ bedeutete in diesem Fall, sie war länger als sein Bein und doppelt so schwer; mit etwas Glück genügte die Akku-Ladung, um drei Schüsse abzugeben. Er schob sie sich unter den Arm und trat beiseite, um die anderen Anwesenden an den Schrank zu lassen.
Mikka Vasaczk nahm ein Impacter-Gewehr und einen Laser an sich. Davies richtete sich nach ihrem Beispiel und griff sich zu dem Impacter-Gewehr, das er schon hatte, gleichfalls einen Laser. Sib Mackern entschied sich für zwei Faustfeuerwaffen, fühlte sich anscheinend jedoch damit nicht recht wohl; eine legte er zurück. Vector Shaheed bemächtigte sich zweier kurzrohriger Raketenwerfer – diese Waffen hatten über größere Entfernungen hinweg eine nur geringe Treffgenauigkeit, konnten aber aus geringem Abstand kaum ein Ziel verfehlen –, reichte einen davon Ciro Vasaczk und zog den Burschen vom Schrank fort.
Nick Succorso fackelte nicht lange mit der Auswahl. Er grapschte sich zwei Faustfeuerwaffen, ein Impacter-Gewehr, einen Koffer Handgranaten…
Angus knallte die Schranktür zu und klemmte fast Succorsos Finger ein; dann strebte er heckwärts zu dem Stauraum, in dem die EA-Anzüge hingen.
Mit Ausnahme der beiden Exemplare, die für ihn und Taverner zugeschnitten worden waren, hatten sie allesamt Standardgröße. Aber Angus erkannte auf den ersten Blick, daß er solche EA-Anzüge noch nie gesehen hatte. In überwiegender Hinsicht waren sie normal beschaffen: flexible Konstruktionen aus Mylar und Plexulose, polarisierten Helmscheiben, Sauerstofftanks, Akkus, Helmfunk und Gürtelhaken für Werkzeuge oder Waffen. Doch wie die Lenkdüsen funktionierten, wußte er nicht.
Mit unpersönlicher Effizienz lieferte eine Interncomputer-Datei ihm zum genau richtigen Zeitpunkt die entsprechende Auskunft.
»Nehmen Sie sich Anzüge«, sagte Angus zu Mikka Vasaczk und den übrigen Leuten von der Käptens Liebchen. »Wir müssen die Funkgeräte auf eine gemeinsame Frequenz einstellen.« Er nannte eine beliebige Frequenz. »Solange nicht irgendwer zufällig auf dieselbe Frequenz gerät, kann niemand mithören. Wir tummeln uns zwar nicht in Null-G, aber Sie sollten wissen, wie man die Düsen bedient. Sie sind reaktionsempfindlicher als die üblichen Lenkdüsen, steuerbarer. Man handhabt sie wie Waldos. Ins Innere des Anzugs ist ein Gestänge integriert. Man schlingt die Befestigungsgurte um die Hüften und führt sie zwischen den Beinen durch. Der Verschluß und die Kontrollen sind auf der Brustplatte. Nach Aktivierung erfassen die Sensoren Ihre Hüftbewegungen und betätigen danach die Düsen, rechts, links, auf- oder abwärts, was Sie wollen. Man braucht dafür einige Übung, also hoffen wir mal lieber, Sie sind nicht darauf angewiesen.«
Angus bezweifelte nicht, daß sein Interncomputer längst wußte, wie die Lenkdüsen einwandfrei bedient werden konnten.
In der Enge des Korridors stiegen Mikka Vasaczk und die Männer in EA-Anzüge. Davies hielt möglichst großen Abstand von Succorso. Sib Mackern und Ciro Vasaczk bedurften beim Anlegen der ungewohnten Schutzkleidung der Unterstützung: Vector Shaheed und Mikka Vasaczk waren ihnen behilflich.
Nick Succorso plapperte ziellos über die bemerkenswerte Ausrüstung der Posaune, doch niemand schenkte ihm Aufmerksamkeit. Angus’ Programmierung präsentierte ihm eine mentalvisuelle Checkliste. Er stellte seine Waffen ab, um seine Ausstattung zu vervollständigen.
Er entnahm der Tasche seiner Bordmontur einen kleinen Sender, der Ähnlichkeit mit einem Zonenimplantat-Kontrollgerät hatte, und steckte ihn in eine Außentasche seines EA-Anzugs. Dann streifte er den Anzug über und schloß ihn, hakte die Haftminen und den Präzisionslaser an den Gürtel. Die Materiekanone war dafür zu schwer, also hob er sie auf die Arme. Als er fertig war, stapfte er zum Lift.
Er versuchte, versuchte angstrengt, das klaustrophobische Zischen der Luft in seinen Ohren nicht zu beachten. Es schien ihm einzuflüstern, er hätte sich soeben in einer Gruft eingeschlossen, einem Kindergrab; in einem Kinderbett festgeschnallt, so daß die Frau, die über ihm emporragte
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