Amnion 3: Ein dunkler, hungriger Gott erwacht
– eine Frau, riesig wie das Weltall, die seine Mutter hätte sein sollen –, ihm Schmerzen zufügen konnte, ihm Qualen von den Ausmaßen des Abgrunds zwischen den Sternen bereiten.
Externaktivitäten waren für ihn jedesmal eine wahre Tortur.
Die Zeit verstrich. Zweifellos ging sein Bluff nicht mehr lange gut. Sobald den Kassierer Panik packte, würde er seinen Schergen Anordnung geben, die Posaune aufzuschweißen. Und dann verteidigte sich das Raumschiff – allerdings nicht durch Selbstvernichtung, sondern indem es in möglichst ausgedehnten Bereichen der Station einen Stromausfall verursachte. Diese Vorkehrung hatte Angus während Nick Succorsos Abwesenheit arrangiert.
Gleichzeitig hatte er – unter Anwendung von Instrumenten, die kein herkömmlicher Interspatium-Scout der Kompaktklasse an Bord hatte – eine umfangreiche kartografische Vermessung der Energieversorgung Kassaforts vorgenommen. Was er dabei herausgefunden hatte, brachte ihm momentan jedoch keinen Nutzen. Jetzt zählte nur der eventuelle Stromausfall als wichtig.
Die Posaune bliebe danach nur zwei oder drei Minuten länger intakt, mehr nicht. Und sollte der Stromausfall auftreten, ehe Vector Shaheed und Ciro Vasaczk ihre Aufgaben erfüllt hatten, wäre es auf höchst verhängnisvolle Weise zu früh.
Schon jetzt schwitzte Angus wie eine ganze Herde Säue, und dabei hatte er noch nicht einmal das Raumschiff verlassen.
Fast augenblicklich gesellte Mikka Vasaczk sich zu ihm in die Aufzugkabine, und als nächster kam Nick Succorso. »Sind Sie sicher, daß dieses Zeug auch hält, was es verspricht?« In der Beengtheit von Angus’ Raumhelm klang seine Stimme überlaut. Durch zwei Helmscheiben betrachtet, hatte Succorsos Gesicht alle Ähnlichkeit mit der Fratze eines Monstrums. Seine Narben glichen offenen Wunden. »Es sieht alles so neu aus. Man könnte meinen, es wäre noch nie ausprobiert worden.«
»Es wird schon funktionieren, Nick«, brummelte Mikka Vasaczk sehr ungnädig. »Halt zur Abwechslung mal deine Schnauze.«
Nick Succorso musterte sie so festen Blicks, als hätte er inzwischen entschieden, wie er sie umzubringen beabsichtigte.
Davies war bereit, aber ließ den anderen Männern den Vortritt; er betrat die Liftkabine als letzter.
Während Angus sein ständiges Verlangen niederrang, nach Luft zu schnappen, ließ er die Liftkabine zur zweiten Luftschleuse der Posaune hinauffahren.
Nun stieg Davies als erster aus. Er bezog in der Schleusenkammer an der Kontrolltafel Aufstellung, den Rücken zur Wand und das Gewehr in Bereitschaft. Die Mündung hielt er auf Succorsos Leib gerichtet.
Geradeso wie sein Sohn rechnete auch Angus seitens Succorsos mit irgendeiner Hinterlist. Allerdings nicht hier; nicht so. Es mochte soweit sein, wenn die Gruppe die Amnion-Sektion erreichten; oder vielleicht, wenn sie zur Posaune zurückkehrte.
Aber Angus’ größte Sorge in bezug auf Nick Succorso war keinesfalls dessen Hang zum Verrat, sondern vielmehr die Befürchtung, seine vorprogrammierten cyborgischen Restriktionen könnten verhindern, daß er es ihm anschließend heimzahlte.
Als sie alle sieben in der Schleusenkammer standen, nickte Angus seinem Sohn zu. Davies drehte sich der Kontrolltafel zu und drückte Tasten.
Die innere Schleusenpforte schloß sich. Kompressoren winselten, pumpten die Luft aus der Schleuse, um ein explosives Entweichen ins Vakuum zu vermeiden. Der EA-Anzug preßte sich ringsum leicht um Angus’ Körper, indem die Innenluft ihn dehnte; seine Begleiter schienen aufgeblasen zu werden, sie wirkten, als müßten sie wie Ballons davonschweben, sobald sie zur Schleusenkammer hinaustappten.
Er verringerte die Funkleistung seines Helmfunks, damit Nick Succorso und die anderen ihn nicht schnaufen hörten. Externaktivitäten flößten ihm Grauen ein; ihm graute vor engen genauso wie vor weiten Räumen. Doch aufgrund seiner Zonenimplantate blieb ihm keinerlei Wahl. Energisch biß er sich auf die Unterlippe, wandte sich dem Ausgang zu und wartete aufs Öffnen der Schleuse.
Sobald die Servos der Posaune die äußere Schleusenpforte aufgeschwenkt hatten, klomm er in den Ausstieg, steckte den Kopf hinaus und erhielt einen ersten Eindruck von dem, was Nick Succorsos Arglist nach sich zog.
Die gesamte Umgebung des Besucherdocks war in grellweißes Licht getaucht. Das war Normalität: an allen Seiten leuchteten auf hohen Pfosten montierten Bogenlampen wie helle Glut, gaben im Einflug befindlichen Raumschiffen eine visuelle Bestätigung
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