Amnion 3: Ein dunkler, hungriger Gott erwacht
Polizeiakademie trainiert. Die Stellar Regent hatte welche an Bord gehabt. Doch die Technik war noch brandneu. Niemand außer der VMKP hatte solche Anzüge zur Verfügung.
So schnell es ging, erledigte Sib Mackern das Umschnallen des Gestänges; danach erst schloß er den Anzug. Als letztes nahm er den Helm. Er hielt ihn vor sich in den Händen, wartete auf Morns Einverständnis, bevor er ihn ihr aufsetzte.
Weil das alles nichts als eine Halluzination war, Morn wußte, daß sie bald vorüber sein mußte, sie dann wieder so zum Unglück und Unheil verurteilt wäre wie zuvor, schöpfte sie durch die Atemmaske tief Luft und nickte schließlich.
Mackern zupfte ihr die Atemmaske vom Gesicht und zog ihr statt dessen den Raumhelm an.
Kaum war der Helm geschlossen, aktivierten sich die internen Anzeigen, informierten sie über Sauerstoff, Temperatur und die eigenen Biosignale, versicherten sie des Schutzes gegen die Schonungslosigkeit des Vakuums.
»Also los, Morn, nun komm!«
Aus dem Helmlautsprecher klang Sibs Stimme zu nah, zu aufdringlich. Trotzdem rührte Morn keine Hand, um die Lautstärke zu verringern: sie hatte die Fäuste wieder fest um das Impacter-Gewehr geklammert, nicht vor, sie noch einmal von der Waffe zu nehmen. Wie eine Wahnsinnige glaubte sie, solange sie das Gewehr hatte, könnte sie verhindern, daß der Traum von der Rettung verpuffte.
Indem sie mit Leib und Seele an der Waffe Halt suchte, ließ sie zu, daß Sib Mackern sie am Arm faßte und zur Zelle hinauszog.
»Na endlich!« maulte Nick knurrig. »Nun aber nichts wie weg!«
Ohne eine Antwort abzuwarten, lief er zum einen Ende des Flurs.
Hatte Mackern nicht gesagt: Mikka, Vector, sogar Lumpi? Aber im Korridor stand nur Mikka Vasaczk. Wo waren Vector und Lumpi?
Und wo war Angus? Morn hatte damit gerechnet, ihn im Flur wiederzusehen, sich gedacht, er hielte mit seiner sonderbaren Waffe die gesamte Amnion-Sektion in Schach. Doch er mußte irgendwohin verschwunden sein.
Mikka Vasaczk, deren Gesicht man durch zwei Helmscheiben nur verschwommen erkennen konnte, blickte Morn an; trotz der Verzerrung wirkte ihre Miene seltsam vertraut: der finstere Ausdruck ihrer Gesichtszüge erinnerte an die bärbeißige Fürsorglichkeit einer alten Freundin.
»Ist mit dir alles in Ordnung?« erkundigte sich Mikka. »Sind wir noch rechtzeitig gekommen?«
Krampfhaft zuckte es in Morns Kehle, sie erstickte ein Schluchzen. »Sie haben mir Blut abgenommen.« Das zugelassen zu haben, war der schlimmste Vorwurf, den sie sich selbst machen mußte. »Jetzt wissen sie über das Serum Bescheid.«
»Wenn wir etwas mehr Zeit haben« – Morn empfing deutlich Nicks Stimme vom Ende des Korridors her –, »mußt du mir mal erzählen, woher du es eigentlich hast.«
Morn hörte kaum hin. Sie sprach mit Mikka.
»Durch mich ist alles verraten worden…«
Sie rang um Selbstbeherrschung, aber konnte ihren Jammer nicht mehr unterdrücken. Ein Wimmern drang aus ihrem Mund. Ohne das Zonenimplantat-Kontrollgerät war sie ein Nichts.
»Vielleicht nicht.« Nicks Stimme klang barsch. »Ich habe dir doch gesagt, es läßt sich nur etwa vier Stunden lang im Körper nachweisen. Ob sie’s festgestellt haben, hängt davon ab, wann du die Kapseln geschluckt und wann sie dir Blut abgenommen haben. Und nun komm mit, verflucht noch mal! Irgendwann werden sogar diese Schleimbeutel merken, was hier gespielt wird, und dagegen einschreiten.«
Wann. Und nochmals wann. Morn klammerte sich an diese Überlegung wie an ihr Gewehr. War es möglich, daß ihr Traum Hoffnung bot? Gewährte die Halluzination es ihr, befreit zu werden, ohne die Menschheit verraten zu haben?
Vielleicht konnte sie sich daran erinnern, was sie getan hatte; sich auf den zeitlichen Ablauf der Ereignisse besinnen. Es stimmte, Nick hatte einmal ihr gegenüber erwähnt, daß das Immunitätsserum nur für rund vier Stunden im Körper verblieb. Falls sie sich dessen entsann, wann sie die Kapseln genommen und dazu in zeitliche Relation setzen konnte, wann die Amnion ihr Blut abgezapft hatten…
Also gut, denk nach! Wann hatte sie die erste Kapsel geschluckt? Wann die zweite? Und die dritte?
Unvermittelt völlig besessen vom Gedanken an die Zeit, ließ sie sich von Mikka und Sib mitziehen.
Alles was sie in den vergangenen Tagen und Monaten durchlitten hatte, schien ihr wie ein alptraumhafter kaleidoskopischer Mahlstrom: sie war nicht dazu imstande, einen Tag vom anderen, ja nicht einmal eine Stunde von der anderen zu
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