Amnion 3: Ein dunkler, hungriger Gott erwacht
auszustatten. In der Tat wurde Holt Fasner alt genug, um zu erleben, wie die VMK soviel Macht ausübte, daß die Entscheidung über Fortbestand oder Untergang bei ihr lag.
Aber damit war er mit seinem Ehrgeiz noch längst nicht am Ende. Nachdem er der VMK eine anscheinend unangreifbare Vormachtstellung errungen hatte, konzentrierte er sein Interesse auf die Schaffung der Vereinigte-Montan-Kombinate-Polizei.
In gewisser Weise ließ diese Bestrebung sich leicht erklären. Die Amnion verkörperten eine gewaltige Quelle des Reichtums; gleichzeitig ging jedoch von ihnen die mörderischste äußere Gefahr aus, mit der sich die Menschheit je konfrontiert gesehen hatte. Für den Verkehr mit den Amnion gaben Wachsamkeit und Stärke wesentliche Voraussetzungen ab. Eine wirksame Kraft gegen den Amnion-Imperialismus war nötig. Vermutlich mußte eine ausreichende Verteidigungsfähigkeit des Human-Kosmos eine durchaus hinlängliche Abschreckungswirkung gegen jede offene Aggression haben. Diese Erwartung begründete eine dramatische Steigerung der Mittel, die man der VMKP zur Verfügung stellte, und schließlich auch den Entschluß, sie jeder sonstigen Form der Sicherheitsorgane überzuordnen. Innerhalb relativ weniger Jahre mauserte sich die VMKP zum extensivsten und bedeutsamsten sämtlicher riesigen Ableger der VMK. Anfänglich ging die VMKP aus der VMK hervor; zuletzt jedoch gedieh ihre Polizeiorganisation selbst zum Motor, der alle VMK-Firmen antrieb.
Unglücklicherweise schrieb diese Darstellung Holt Fasner einen Altruismus zu, den im persönlichen Umgang nie irgendwer an seinem Charakter bemerkt hatte. Vor der Öffentlichkeit berief er sich stets auf die tugendhaftesten Motive; doch die Leute, die entweder unter seinen Geschäftsmethoden litten oder davon profitierten, sprachen seinen Behauptungen allen Wahrheitsgehalt ab.
Doch wenn man seine offiziellen Gründe, aus denen er so viele Kräfte und Mittel der VMK der VMKP zuleitete, nicht ernstnahm, welche andere Erklärung mochte es dann dafür geben? Worauf liefen Holt Fasners Ambitionen wirklich hinaus? Schätzte er Macht einfach um ihrer selbst willen? Wegen der Illusion, nur er allein stünde zwischen der Menschheit und ihrer Auslöschung? Ging es ihm um die Aussicht, daß man sein Vermächtnis an die Menschheit nie vergaß?
Oder stellte man die Frage verkehrt herum? Kam es nicht auf das an, was Holt Fasner wollte, sondern darauf, was er mußte, weil Warden Dios es wollte? Stand sogar Holt Fasner, der einflußreichste Mann des Human-Kosmos, unter dem Einfluß des Polizeipräsidenten der Vereinigte-Montan-Kombinate-Polizei?
Diese Perspektive machte die Beantwortung der Frage jedoch keineswegs leichter.
Wer war Warden Dios? Welchen Ehrgeiz hatte er? Wie war er auf seinen Posten gelangt, und wie beabsichtigte er ihn zu nutzen?
Ohne adäquates Verständnis eines dieser Männer – oder beider –, konnte man die wahre Rolle der VMK und der VMKP in den Geschicken der Menschheit nur schwierig durchschauen.
Warden Dios hatte weder Frau noch Kinder; keine Brüder oder Schwestern; keine bekannten Verwandten, Geliebten oder Gespielinnen, ja nicht einmal Schwächen. Man hätte meinen können, er wäre ohne Mutter und Vater ins Leben getreten. Was hatte für einen solchen Menschen Wert, wenn er all der herkömmlichen Bande entbehrte, die normale Männer und Frauen in ihr Netz sozialer Beziehungen einwoben? Wenn derlei Bindungen ihm nichts bedeuteten, wohin richtete sich sein Streben?
Nach Ansicht mancher Beobachter war er eine reine Kopfgeburt Holt Fasners, nichts als ein Werkzeug des Drachen, das mit all seiner bemerkenswerten Gerissenheit und Hartnäckigkeit den Willen seines Herrn ausführte.
Andere Analytiker hingegen bestritten diese Auffassung. In ihrer Sicht war er einer der wenigen Menschen, die das Dasein zu Idealisten formte, indem sie Erfahrungen mit Gegenteiligem durchlebten. In einer der giftverpesteteren Städte der Erde jung zur Waise geworden, wuchs er inmitten von Gewalt bei Gossengangs heran; und infolge dieser Erlebnisse hätte er an die unbedingte Notwendigkeit dessen zu glauben gelernt, was durch die Polizei während der gesamten Geschichte der Menschheit versucht worden war, nämlich der Destruktion mit Ordnung zu begegnen, in der Gemeinschaft den Schwachen Schutz gegen Bedrängnis zu gewähren sowie der Gesellschaft selbst Abwehr gegen innere und äußere Bedrohungen zu bieten. Sein Idealismus, so argumentierte man, sei der Idealismus eines
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