Amnion 3: Ein dunkler, hungriger Gott erwacht
Menschen, der an die Polizei und ihre Aufgabe glaubte, eines Mannes, der lebte, um diesen Überzeugungen zu dienen.
Falls diese letztere Einschätzung zutraf, bildeten er und Holt Fasner das Gespann einer sonderbaren und unsteten Partnerschaft. Man konnte Holt Fasner mancherlei nachsagen, aber nicht, er sei Idealist.
Einige Tatsachen jedoch waren bekannt. Warden Dios war wesentlich jünger als sein Chef und Mentor; allerdings sah er älter aus, teils durch seine Augenprothese, teils weil er Fasners Begeisterung an Verjüngungsexperimenten ermangelte. Dios war erst Anfang dreißig, als Fasner ihn mit der Führung des Astro-Montan-Internschutzes betraute, aus der danach, kaum daß wenig später die VMK-Firmengründung erfolgte, die Vereinigte-Montan-Kombinate-Polizei hervorging; er wurde der erste Polizeipräsident der VMKP. Also hatte er gar nichts oder sehr wenig mit den Methoden zu tun, mit denen Fasner die Astro-Montan AG zur VMK machte; aus dieser Periode der Konzerngeschichte ließ sich ihm höchstens vorwerfen, an der Spionageoperation gegen die Forschungs- und Erschließungsgesellschaft Sagittarius OHG beteiligt gewesen zu sein. So gesehen, färbten Holt Fasners sonstige, weit fragwürdigere Aktivitäten nicht auf ihn ab.
Aber er trug die Verantwortung für das Gedeihen der VMKP von nichts bedeutenderem als dem AM-Internschutz zu ihrem gegenwärtigen Rang als der mächtigsten Einzelorganisation der VMK. Je stärker sich das Problem der Raumpiraterie als ernste Behelligung bemerkbar machte, je gefährlicher sich allem Anschein nach der Kontakt zu den Amnion gestaltete, um so unentbehrlicher wirkte Dios’ Polizeitruppe. In seinem im Orbit um die Erde lokalisierten Hauptquartier beherrschte er den Human-Kosmos als sein Verteidiger. Er schuf eine Ordnung, die der VMK das Arbeiten ermöglichte; letzten Endes war er der Garant für die Existenz der VMK. Dios kommandierte die einzige Macht, die zwischen der Menschheit und der verschwommenen Gefährdung durch die Amnion stand.
In manchen Kreisen genoß Warden Dios regelrechte Verehrung. Das war an sich ganz natürlich: Mächtigen widerfuhr so etwas häufig. Holt Fasner etwa verehrten Menschen, die seine Errungenschaften bewunderten.
Andernorts dagegen sah man in Dios das gefährlichste Individuum, das je gelebt hatte; hielt man ihn sogar für gefährlicher als Holt Fasner, weil er eine maßgeblichere Bedeutung für das Überleben der Menschheit einnahm. In den Augen der Gegner Warden Dios’ galt die Tyrannis als am verhängnisvollsten, die sich zum Beschützer ihrer Opfer aufschwang. Nach der Verabschiedung des Autorisierungsgesetzes leugneten nur noch wenige Zeitgenossen, daß sich die VMKP eine Form von Tyrannei anmaßte.
Jede sinnvolle Würdigung der Vereinigten Montan-Kombinate AG mußte sowohl die offizielle Firmengeschichte wie auch den individuellen Werdegang ihrer Größen berücksichtigen; mußte sich auseinandersetzen mit der nahezu paradoxen Überschneidung wirtschaftlicher Stärke – die ausschließlich den Zweck der Akkumulation hat – und persönlicher Macht, die aufgrund ihrer ureigensten Natur keinen Firmenstatuten, Hierarchien oder hohen Positionen immanent ist, sondern die allein Individuen haben.
MORN
Die Wächter hatten sie in ein Zimmer gesperrt. Gentechniker waren gekommen und gegangen.
Morn Hyland saß da und zitterte wie eine Invalidin; sie hatte Amnion-Mutagene in den Adern und wartete auf die organischen Konvulsionen, die ihrem zum Untergang verurteilten Menschendasein das Ende bereiten sollten.
Die durch das von den Amnion zu Beleuchtungszwecken bevorzugte, schweflige Licht erhellte, kleine, kahle Zelle, in der sie hockte, schien von heimtückisch-schleichenden gelblichen Gefahren zu strotzen. Die Räumlichkeit war kein Labor, nur eine Kammer, in der es nichts gab als Sauberkeit und Licht, eine kleine Sanitäranlage und die sofaähnliche Liege, auf die Morn sich gekauert hatte. Falls Überwachungsgeräte vorhanden waren, mußten sie entweder völlig unbekannter Art oder so gut getarnt sein, daß Morn sie nicht bemerken konnte; jedenfalls hatte es für sie den Anschein, als befände sie sich allein in einem nahezu leeren Raum. Vielleicht wollten die Amnion die Transformation mitansehen, ohne ihre Reaktionen einzuschränken; und ohne Schaden an teuren Instrumenten zu riskieren. Oder möglicherweise war ihre Dependance auf Kassafort gar nicht ausreichend für wissenschaftliche Zwecke eingerichtet; es konnte sein, man
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