Amnion 3: Ein dunkler, hungriger Gott erwacht
im Halfter zu lassen.
»Ist das alles wahr?« Sie sprach leiser als Warden, aber in unvergleichlich wilderem Ton. »Das über Morn Hyland?«
Vor Ermüdung stöhnte Warden Dios. »Ja«, bestätigte er ihr. Momentan fehlte ihm die Kraft zu weiteren Lügen.
Donner fuhr zusammen; das eine Wörtchen schien sie betroffener als irgend etwas anderes zu machen. »Aber wieso…?« fragte sie, als ob der Schmerz sie schubweise heimsuchte. »Ich begreif ’s nicht. Das erklärt doch nicht…« Mit einem plötzlichen Ruck, einer Art von Schütteln, das einem Schaudern des Abscheus glich, nahm sie sich zusammen. »Da bleiben doch Widersprüche. Woher wußten Sie, daß Thermopyle in der KombiMontan-Station nicht zum Tode verurteilt wird? Wie konnten Sie das im voraus wissen?«
Sie war noch nicht wieder zu klarem Nachdenken fähig; doch Warden erkannte, auf was ihre Überlegungen hinausliefen. Er ließ ihr den Vorwurf so stoisch durchgehen, wie er es konnte.
»Ich habe es nicht gewußt. Allen war uns klar, daß Thermopyle verhaftet wird, aber welche Bedeutung er wirklich hatte, merkten wir erst, als das Gericht ihn lediglich wegen Diebstahls verurteilte. Direktor Lebwohl hat die Wahrheit ausgesagt. Wir hatten schon die Absicht, Succorso gegen Kassafort einzusetzen, bevor sich die Gelegenheit ergab, Thermopyle zu überlisten und die Verabschiedung des Autorisierungsgesetzes zu erreichen.«
»Dann hat Direktor Lebwohl die wahren Gründe genannt?« Min Donner wäre nicht einmal zum Schweigen imstande gewesen, hätte sie dadurch ihre Seele retten können. »Sie haben Morn Hyland wirklich aufgrund solcher Erwägungen Succorso überlassen? Damit er sich bei Schwierigkeiten mit ihr freikaufen kann? Und sich unterwegs solange mit ihr verlustieren darf?«
Warden Dios nickte lediglich. Er vermochte kein zweites Mal Ja zu ihr zu sagen.
»Aber das ist doch völlig widersinnig«, behauptete Min Donner. »Mit Thermopyle hat sich doch alles geändert. Sie wußten, daß man Succorso niemals hundertprozentig trauen kann. Thermopyle einer Unifikation zu unterziehen und gegen Kassafort zu verwenden, ist eine viel bessere Methode. Sie hat weit höhere Erfolgsaussichten.«
Dios nickte noch einmal.
»Das heißt«, setzte Donner ihre laut geäußerten Gedankengänge fort, »jetzt brauchen Sie Succorso gar nicht mehr. Es ist nicht erforderlich, daß Sie ihm Morn Hyland lassen. Dieses Kalkül ist überholt. Warum ist Thermopyle also nicht darauf programmiert worden, sie zu retten? Weshalb haben Sie es abgelehnt, daß in sein Programm ihre Befreiung mitaufgenommen wird?«
Anscheinend glaubte Godsen Frik, Donner sei drauf und dran, Warden Dios selbst der ›Schlechtigkeit‹ zu überführen. »Ich wollte, daß wir ihre Rettung veranlassen«, merkte er an, als wäre ihm daran gelegen, Donner Rückhalt zu geben. »Ich habe mich mit allem Nachdruck dafür ausgesprochen. Sie bei Succorso zu lassen, ist meines Erachtens ein Riesenfehler. Aber Sie mochten ja nicht auf mich hören, Polizeipräsident Dios.«
Warden schenkte Godsen Frik keine Beachtung. Auch Hashi Lebwohl wäre von ihm ignoriert worden, hätte der DA-Direktor noch genug Kräfte gehabt, um sich an dem Wortwechsel zu beteiligen. Für Warden Dios zählte niemand anderes als Min Donner.
Indem er seinen geheimen Zorn gegen sich selbst wandte wie eine Sense, nötigte er sich zu einer neuen Lüge.
»Weil sowohl Nick Succorso wie auch Morn Hyland das sind, was Direktor Lebwohl mit der Formulierung ›unwiderruflich kompromittiert‹ umschrieben hat. Beide sind in Station Potential gewesen. Warum, das weiß ich nicht. Es war nie Bestandteil unseres Plans.« Nachdem Nick Succorso das erste Mal dort gewesen war, um das Immunitätsserum zu testen, hatte für einen zweiten Besuch kein Erfordernis bestanden. »Aber sie sind nun einmal hingeflogen. Und man hat sie wieder abfliegen lassen. Ich wage kaum daran zu denken, was das besagen könnte.«
Unvermutet mischte sich Hashi Lebwohl doch ein. »Es könnte bedeuten«, röchelte er, als hätte er die Absicht, Dios’ Argumentation zu unterstützen, »daß die Amnion inzwischen Mutagene verfügbar haben, die Menschen in ihresgleichen zu verwandeln, ohne ihre äußere Gestalt zu verändern oder ihren Geist zu beeinträchtigen. In dem Fall, daß es sich so verhält, müssen wir davon ausgehen, daß Kapitän Succorso und Leutnantin Hyland zu geradezu ungeheuer gefährlichen Lebewesen transformiert worden sind. Dann bleibt nur zu hoffen« – er sprach das
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