Amnion 4: Chaos und Ordnung
Flugs zu dem Labor auf das Erfordernis eingestellt sein, Hoch-G-Belastungen zu erdulden. Das heißt, sie muß aufs Hyperspatium-Syndrom gefaßt sein. Wird sie nicht mit Kat schlafengelegt, droht die ganze Zeit lang die Gefahr, daß sie uns alle umzubringen versucht. Wie gerne du’s auch möchtest, du kannst ihr überhaupt nicht helfen. Ich will’s jedenfalls nicht. Ich habe vor, sie für jede einzelne Lüge, die sie mir je aufgetischt hat, bitter büßen zu lassen. Da stehen wir erst am Anfang. Wenn du von ihr keinen Abstand hältst, bricht Angus dir auch den anderen Arm. Kapiert?« Davies verkniff sich Beschimpfungen; unterdrückte seine Schmerzen und die Rage, schluckte Blut. Natürlich hatte Nick recht. Morns Hyperspatium-Syndrom mußte das Valdor-System für sie in eine private Hölle verwandeln. Ohne das Zonenimplantat-Kontrollgerät verfügte sie – außer medikamentöser Betäubung – über keinen Schutz gegen den Wahnsinn, an den ihr Sohn sich so gut erinnerte, als hätte er ihn selbst erlebt.
An Bord der Strahlenden Schönheit hatte sie Angus davon erzählt.
Ich konnte Sie auf den Bildschirmen sehen… Aber in dem Moment ist mir alles gleich gewesen…In meinem Kopf hatte sich alles vollständig verändert. Mir war, als ob ich schwebte, und alles schien völlig licht und klar zu sein. Wie bei einer Vision. Als ob das Universum selbst zu mir spräche. Und ich seine Botschaft verstünde, auf einmal in Kenntnis der Wahrheit sei… Ich wußte genau, was ich tun mußte. Was ich zu tun hatte. Ich bin nicht im geringsten im Zweifel gewesen.
Dann hatte sie in der Hilfssteuerwarte der Stellar Regent die Selbstvernichtungssequenz in die Konsolentastatur getippt.
Aus dieser Krise – in der Folge des unfeststellbar gewesenen Strickfehlers, den das Hyperspatium in ihrem Hirn entdeckt hatte, eines Schwachpunkts, den hohe Schwerkraftbelastung zur Katastrophenursache steigerte – hatten alle ihre weiteren Leiden sich ergeben, als wären sie unabwendbar gewesen.
Dennoch spürte Davies, als er Nick das Kat erwähnen hörte, ein lebhaftes Aufkeimen frischer Hoffnung.
Nick ging davon aus, daß Morn mit Medikamenten betäubt werden mußte. Er ahnte nichts von der Möglichkeit, als Ersatz für das Kontrollgerät eine parallele Zonenimplantat-Kontrolle zu installieren. Von sich aus war er bisher nicht darauf gekommen.
Und Angus hatte es ihm verschwiegen.
Überrascht wandte Davies den Kopf, verrenkte sich schier den Hals, bis er seinen Vater anschauen konnte. Angus glotzte Nick an, als erwartete er neue Befehle. Aber Davies sah seine Miene…
Als Angus in der Kombüse gegen ihn vorgegangen war, hatte Davies keinen Blick auf ihn werfen können; dafür war keine Gelegenheit vorhanden gewesen. Folglich erkannte er jetzt zum erstenmal den Ausdruck schwärzester Seelenpein, die das Gesicht seines Vaters verfinsterte, die ungeheuerliche Mordgier in den Augen. Trotz der unfehlbaren Sicherheit seiner Bewegungen und der Festigkeit seiner Haltung wirkte er wie ein durchgedrehter Schlächter, als wäre er noch irrsinniger als Morn; als wäre er längst vollständig und unwiderruflich dem Wahn verfallen.
Er gehorchte Nicks Befehlen. Aber ihre Befolgung war ihm verhaßt.
Davies verstand diesen Sachverhalt nicht. Dennoch tat sein Herz einen Satz. Nick hatte keine Ahnung, daß es möglich war, eine parallele Zonenimplantat-Kontrolle zu installieren, also konnte er es Angus auch nicht befehlen.
Was du mir nicht sagst, wird nicht getan.
Morn, hast du das gehört? Ist dir klar, was es bedeutet?
Davies schwindelte vor Erleichterung, als er Succorso zunickte. »Na gut«, krächzte er. »Ich will die Situation nicht für sie schlimmer als nötig machen.«
Einen Moment lang musterte Nick ihn; dann sah er Angus an und zuckte die Achseln.
Mit einer Konvulsion, als empfände er Abscheu, ließ Angus von seinem Sohn ab.
Sofort stieß sich Davies ab und entfernte sich zu Vector und dem Technikkontrollpult. Während Angus an den Platz des Ersten Offiziers zurückkehrte, klemmte Davies ein Knie unter die Konsole, um den unversehrten Arm frei zu haben. Um zu verhehlen, wie erleichtert er sich fühlte, schnitt er eine düstere Miene, rieb sich den mißhandelten Hals.
Als Vector ihn anschaute, nickte er ihm zu, dankte dem Techniker für mehrerlei auf einmal.
Über ihm schwebte Morn als fest zusammengerollte, fötale Kugelgestalt, geradeso unzugänglich, als befände sie sich auf der anderen Seite des Hyperspatiums. Er überließ sie aus
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