Amnion 4: Chaos und Ordnung
verkrampfte Nick die Muskeln, als wollte er sie anspringen. Dann jedoch lehnte er sich wieder in die Polsterung des Kommandosessels. In seinen Augen glitzerte es von unheilvoller Selbstbezähmung.
»Angus, ich will, daß du, wenn sie noch ein Wort von sich gibt – irgendein Wörtchen –, deinen putzigen kleinen Laser gegen sie einsetzt. Schneide ihr damit ’n Finger ab. Sollte sie schreien, schimpfen oder bloß stöhnen, schießt du ihr den nächsten Finger weg. Du trennst sie ihr nacheinander ab, bis sie lernt, die Klappe zu halten.«
Ruckartig hob Ciro den Kopf von Mikkas Schulter, drehte das Gesicht Nick zu. Seine Augen spiegelten Entsetzen wider; derartiges Grausen empfand er, daß man fast nur noch das Weiße sah.
Unwillkürlich krümmte sich Sib Mackern um seinen Magen, um sich nochmals zu übergeben; aber es war nichts übrig, was er hätte erbrechen können.
Über ihnen schwebte Morn, war der Furcht und Verzweiflung unterlegen.
»Fordere ihn nicht heraus, Mikka«, warnte Davies eindringlich. »Er meint’s ernst. Und Angus wird ihm gehorchen.«
Wir brauchen dich. Morn und ich brauchen dich.
Und wir müssen erfahren, was Nick zu sagen hat. Mikka verkniff sich eine Entgegnung. Sie sah Angus’ Miene so gut wie Davies: sie erkannte, er würde Nicks Anweisungen genau ausführen. Mit Mühe schloß sie die Lider, ließ die Schultern sinken; sie holte tief Luft und ließ den Atem unterdrückt entweichen. Nachdem sie die Augen wieder geöffnet hatte, schwieg sie.
»Scheiße, ich weiß nicht, was eigentlich mit euch Schwachsinnigen los ist«, meinte Nick zu ihr. »Lernt ihr denn nie dazu? Davies kreuzt hier mit ’m gebrochenen Arm auf. Du hast ’ne kaputte Rübe. Trotzdem bildet ihr zwei euch immer noch ein, ihr könntet mich verarschen. Aber eines kann ich euch sagen. Von nun an ist Schluß damit!« fauchte er harsch durch die Zähne.
»Ich brauche euch nicht. Jetzt steht Angus auf meiner Seite. Das ist alles, was zählt. Vector behalte ich bei mir. Er kann noch ganz nützlich sein. Aber ihr anderen… Von mir aus dürft ihr krepieren, mir ist’s scheißegal. Der einzige Grund, warum ich euch noch nicht abgemurkst habe, ist die Überlegung, daß mir vielleicht was Besseres einfällt.«
Davies mißachtete die Drohung. Ernstgenommen werden mußte sie, soviel war ihm klar; dadurch änderte sich jedoch überhaupt nichts. Auch Morn ignorierte er, obwohl es ihm ans Herz griff; sie mußte warten. Mit dem unversehrten Arm hielt er sich die Rippen und blickte Nicks Erklärungen entgegen.
»Bis dahin möchte ich euch ’ne kleine Geschichte erzählen«, kündete Nick sardonisch an. »Ich will, daß ihr alle rafft, was hier abläuft, damit ihr wißt, daß ihr für mich überflüssig seid. Entsinnt ihr euch an die KombiMontan-Station?«
Genüßlich fläzte er sich im Kommandosessel. Sich wieder in die altgewohnte Pose hineinzusteigern, sich in Drohgebärden zu üben, bereitete ihm offenbar größtes Behagen; so fühlte er sich sauwohl. Trotzdem hörte man aus seinem Tonfall herbe Anklänge der Bitternis und des Grolls. »Erinnert ihr euch daran, wie wir Angus aufs Glatteis gelockt haben? Durchgezogen worden ist’s zwar von Milos und mir, aber unsere Idee war’s nicht. Wir hatten den Befehl von Hashi Lebwohl. Von der verdammten Abteilung Datenakquisition. Dort wollte man endlich des hochgradig berühmtberüchtigten Kaptäns Thermogeil habhaft werden.«
Angus zeigte keinerlei Reaktion. In seinen von unvorstellbaren inneren Nöten trüben Augen stand nichts als Bosheit.
»Nach unserem Abflug von der Station hat die DA sich ihn vom Stationssicherheitsdienst überstellen und Milos gleich mitkommen lassen. Beide sind ins VMKP-HQ gebracht worden. Dort hat man bei Angus diese und jene kleinen chirurgischen Abänderungen vorgenommen… Solche Sachen, die der arme, alte Kassierer, Friede seiner Asche, immer ›Bio-Optimalisierung‹ nannte. Zu einem Cyborg hat man ihn gemacht. Seinen Händen sind ultrafeine Laser eingebaut und den Augen UV-Prothesen installiert worden. Er kann Störfelder emittieren.« Nicks Blick streifte Davies. »Dadurch wird verständlich, wie er an all den zahllosen Wächtern und Überwachungseinrichtungen Kassaforts vorbeigelangen konnte. Und er verfügt seit der Modifikation über Körperkräfte wie ein wahrer Goliath. Aber am wichtigsten ist folgendes: Sein Gehirn ist voller Z-Implantate. Ihr bedauert Morn, weil sie eine einzige solche Elektrode im Kopf hat. Er muß mindestens sechs Stück in
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