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Amnion 4: Chaos und Ordnung

Amnion 4: Chaos und Ordnung

Titel: Amnion 4: Chaos und Ordnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Lichtgeschwindigkeit wären immer noch 27.500 Jahre erforderlich. Im Durchschnitt konnten von der Menschheit verwendete Raumschiffe bei jeder Hyperspatium-Durchquerung zehn Lichtjahre zurücklegen. Selbst bei dieser Leistung müßten zur Überwindung der gesamten genannten Entfernung 2750 Hyperspatium-Durchquerungen durchgeführt werden.
    Aber die Menschen hielten, so wie sie eben einmal waren, 2750 für eine durchaus vorstellbare Zahl. Infolgedessen wurde der räumliche Abstand zwischen der Erde und dem Mittelpunkt der Milchstraße zu einer vorstellbaren Entfernung.
    Der Denkfehler dabei war von dermaßen subtiler Natur, daß er den meisten Leuten entging.
    In der Echtzeit, der effektiven Zeit, existierten die mittels des Ponton-Antriebs überbrückten Lichtjahre gar nicht. Ein Raumschiff mit Ponton-Antrieb flog diese Lichtjahre nicht; es passierte sie anhand interdimensionaler Translokation. Nach Abschluß der Hyperspatium-Durchquerung kehrte es in den Normalraum zurück – und der Normalraum war so groß, daß man sich seine tatsächliche Ausdehnung in Wahrheit eben nicht vorstellen konnte.
    Na und? dachten die meisten Menschen. Auf alle Fälle existierte der Ponton-Antrieb. Der einzige Aufwand an Echtzeit, der bei Raumflügen anfiel, umfaßte die Dauer der Beschleunigung, der es bedurfte, um die erforderliche Geschwindigkeit zu erlangen, und der Verlangsamung nach Rückkehr in den Normalraum. Günstigstenfalls lag der Bannkosmos – das von den Amnion beherrschte Weltall lediglich ein paar Flugtage entfernt.
    Es stimmte: in einem Interspatium-Raumschiff beanspruchte die Reise zum Bannkosmos nur wenige Flugtage. Und die Kommunikation lief genauso schnell ab. Im Raumschiff beförderte Nachrichten trafen Jahrhunderte oder Jahrtausende früher als lichtschnelle Funksendungen ein. Aber in den sonderbaren physikalischen Verhältnissen des Hyperspatiums hatten weder Raum noch Zeit irgendeine Bedeutung. Schiffe begegneten sich dort nicht; kommunizierten nicht, tauschten keine Fracht aus; bekämpften sich nicht, veranstalteten keine Verfolgungsjagden. Jede Art konkreter Handlung, ob seitens der Menschen oder der Amnion, fand im Normalraum statt, bei normalen Unterlichtgeschwindigkeiten. Und bei gewöhnlichen Unterlichtgeschwindigkeiten blieben, pragmatisch betrachtet, praktisch selbst die nächsten Sterne unerreichbar fern.
    Mit anderen Worten, die Erfindung des Juanita-Estevez-Massentransmission-Feldgenerators hatte einen Veränderungseinfluß auf das Verhältnis der Menschheit zu weiten Entfernungen – aber keinerlei Auswirkungen auf die Situation des Menschen im Normalraum.
    Einen schlagenden Beweis dafür gab das Dilemma der Raumpiraterie ab.
    Wieso war die Raumpiraterie ein so ernstes Problem? Wie hatten Piraten im Human-Kosmos eine solche Macht erringen können? Raumschiffe konnten das Hyperspatium im Handumdrehen durchqueren. Überfiel ein Pirat zum Beispiel Station Terminus, ließ sich diese Information mit einer Interspatium-Kurierdrohne rasch zur Erde befördern, und innerhalb weniger Stunden konnte das VMKP-HQ zum Schutz der Station einen Polizeikreuzer ausschicken. Wie war es möglich, daß unter diesen Umständen das Verbrechen gedieh?
    Es gedieh ganz einfach deshalb, weil alle illegalen Taten im Normalraum begangen wurden. Die VMKP hatte Interspatium-Raumschiffe. Nicht selten benutzten auch Illegale Interspatium-Raumschiffe. Aber alle ihre Einsätze und Aktionen vollzogen sich im Normalraum. Interspatium-Raumschiffe hatten die Möglichkeit, den Raumsektor, in dem sie aktiv zu werden beabsichtigten, mit unglaublicher Mühelosigkeit zu wechseln; doch die Aktivitäten selbst beanspruchten nach wie vor Echtzeit und erforderten unverändert das Zurücklegen tatsächlicher Entfernungen. Ein VMKP-Kreuzer mochte ohne weiteres der Fährte eines Piratenraumschiffs quer durch die gesamte Galaxie nachspüren; jede Kampfmaßnahme jedoch, die der Kreuzer gegen den Piraten ergriff, erfolgte im Normalraum, wo schon das schlichte Absuchen eines Sonnensystems nach verräterischen Emissionen eventuell monatelang dauerte.
    Eine gravierende Steigerung dieser grundsätzlichen Schwierigkeiten ergab sich aus dem Sachverhalt, daß eine Hyperspatium-Durchquerung als solche keineswegs mit so präzisen Resultaten geschah, wie sie auf dem Papier standen. Sowohl Kurs wie auch Distanz jeder Hyperspatium-Durchquerung unterlagen mehreren Arten der Ungenauigkeit. Kursabweichungen von winzigen Bruchteilen eines Grads multiplizierten sich

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