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Amnion 4: Chaos und Ordnung

Amnion 4: Chaos und Ordnung

Titel: Amnion 4: Chaos und Ordnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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versuchte erst gar nicht, Mikka zu kontaktieren, ihr mitzuteilen, daß er bei Morn bleiben mußte. Der Interkom-Apparat war für ihn unerreichbar geworden. Statt dessen ging er achtsam in die Hocke, nahm die Hände vom Behandlungstisch und streckte sich auf dem Deck aus; dann rutschte er zur abwärtigen Wand hinunter und lehnte den Rücken ans Schott, um eine nach der anderen die brutalen Sekunden des Ringens durchzustehen, das Mikka Vasaczk um die Rettung des Schiffs austrug. Wenn Angus noch atmen konnte, hatte er wohl schon Schlimmeres – erheblich Schlimmeres – als die momentanen G-Verhältnisse überstanden, ohne sich auf den Rückhalt eines schwergepolsterten G-Andrucksessels und Gurte stützen zu können; ohne eine Wand im Kreuz zu haben. Eigentlich jedoch glaubte Davies nicht, daß sein Vater noch lebte. Nur weil seine zermalmten Knochen und sein zerquetschtes Fleisch zu starrsinnig zum Sterben waren, saugte Angus noch Atemluft ein, ließ er sie entweichen.
    Das dreifache Eigengewicht preßte Davies in den Winkel zwischen Deck und Schott. Und die Belastung stieg kontinuierlich. Bald hatte er keine Wahl mehr, als in Bewußtlosigkeit zu sinken.
    Aber während er sich noch ans Wachsein klammerte, mußte er einsehen, daß es ihm nicht gelingen wollte, ein Gefühl der Trauer um seine Eltern zu unterdrücken. Um seine Eltern und um sich selbst.
    Nahezu eine Stunde verstrich, bis Vector endlich Angus ins Schiff zurückbrachte.
    Inzwischen war G kein relevanter Faktor mehr. Die Posaune hatte sicheren Abstand vom Schwarzen Loch gewonnen und näherte sich ohne Probleme der Randzone des Asteroidenschwarms.
    Sib Mackern war als tot aufgegeben worden. Man sah keine Alternative.
    Trotz aller Beschwerden, durch die ihm zumute war, als wäre er von Kopf bis Fuß mit Knüppeln durchgeprügelt worden, war Davies auf die Brücke zurückgehinkt und hatte wieder seinen Platz im Andrucksessel des Ersten Offiziers eingenommen. Dort saß er und arbeitete an Scanning und Kommunikationsanlagen, während Mikka der Posaune einen Weg durchs Asteroidengewühl suchte, als die Interkom-Lautsprecher knackten. »Ich habe ihn«, meldete sich Vector. »Wir sind in der Luftschleuse. Sobald sie geschlossen ist, befördere ich ihn ins Krankenrevier.«
    Die Stimme des Ex-Bordtechnikers klang nach schrecklicher Erschöpfung. Anklänge arthritischer Schmerzen schwangen in seinem Tonfall mit. Dennoch merkte man ihm einen gewissen Stolz an.
    Auch Davies fühlte sich vollkommen entkräftet; ermattet bis zum äußersten. Immer stärker wurde ihm wie einem kleinen Jungen zumute, der jeden Moment in Tränen ausbrechen mochte. Nichts wäre ihm lieber gewesen, als jetzt die Verantwortung für das Raumschiff an irgend jemand anderes abtreten, zu Morn gehen, nur auf sie achtgeben und allem anderen seinen Lauf lassen zu dürfen. Der Rachedurst hatte über ihn keine Gewalt mehr. Er bezweifelte schlichtweg, sich dergleichen überhaupt noch zumuten zu können. Zu schwer lastete auf ihm die Schwäche der Sterblichkeit.
    »Wie steht’s um ihn?« erkundigte er sich lasch bei Vector, befürchtete insgeheim das Ärgste.
    Aus der Interkom ertönte das unverkennbare Fauchen der Luftschleuse. Rings um Vector sammelte sich Bordatmosphäre, übertrug seinem Helmmikrofon Schwingungen.
    »Nach den Indikatoren des EA-Anzugs müßte er heil davongekommen sein«, lautete Vectors Antwort. »Das heißt, relativ heil. Er ist besinnungslos und leidet unter Dehydration. Ich sehe Blut. Weitere Komplikationen sind nicht ausgeschlossen.« EA-Anzüge hatten keine Instrumente zur Feststellung innerer Blutungen oder des Zustands lebenswichtiger Organe. »Es macht den Eindruck, als hätte er draußen die Anzugsysteme samt und sonders weit überbeansprucht. Aber nach den ersichtlichen Daten müßte er allemal am Leben bleiben.«
    Ein Kloß beengte Davies’ Kehle. Für einen Moment glaubte er weinen zu müssen. Doch er hatte schon zu viele Fehler begangen; zuviel wesentliche Einzelheiten außer acht gelassen. Er mußte den Überblick behalten. Die Posaune war noch längst nicht in Sicherheit. Möglicherweise machte die Sturmvogel noch immer die Gegend unsicher; vielleicht unvermindert Jagd auf den Interspatium-Scout. Der VMKP-Polizeikreuzer Rächer flog vermutlich irgendwo im Valdor-System umher, suchte aus eigenen, eventuell bedenklichen Gründen – oder Warden Dios’ ebenso dubiosen Beweggründen – nach der Posaune. Und einmal war der Interspatium-Scout schon von einem fremden

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