Amnion 4: Chaos und Ordnung
an?«
Behindert durch zu hohes Gewicht, schwankte Mikka die Stiege herab. Trotz aller, sicherlich optimaler Maßnahmen des Krankenrevier-Computers hatte ihr angeknackster Schädel noch keine ausreichende Zeit zum Heilen gehabt. Noch mehr indessen hatten ihr die G und Ciros Schicksal geschadet: Durch Nicks Arglist war sie bis ins Innerste des Gemüts getroffen worden. Obwohl er über Morns Gedächtnis verfügte, hatte Davies sie noch nie in derartig geschwächter Konstitution gesehen.
Dennoch kam sie die Stufen herab, hielt sich an beiden Seiten, um aufrechte Haltung zu bewahren, am Geländer fest. Sie trug ihr Fleisch wie eine zu schwer gewordene Bürde. Als sie den unteren Absatz der Treppe erreichte, blieb sie stehen, wartete auf klärende Worte Davies’.
Sie war erschöpft: nahezu am Ende. Aber Davies durfte kein Erbarmen mit ihr haben. Das gleiche galt für die Posaune, Womöglich starb Angus, ehe Vector ihn ins Schiff zurückbrachte; vielleicht verblutete er im EA-Anzug, füllte ihn mit Blut, das die von ihm geschaffene Singularität ihm aus dem Leib quetschte. Und Morn litt zu starke Schmerzen, um nur bei Bewußtsein zu bleiben.
Bevor Nick die Verfügungsgewalt über Angus erhielt, hatte Mikka etliches an navigatorischen Verrichtungen erledigt. Sie wußte in einigem Umfang über die Kommandokonsole Bescheid…
»Übernimm die Steuerung«, forderte Davies sie barsch auf. »Bring uns von hier weg. Wir hängen im Schwerkraftbereich eines Schwarzen Lochs. Nun frag mich bloß nicht, wie’s dahin gekommen ist. Ich erzähl’s dir später. Oder du kannst in deiner Freizeit im Computer-Logbuch nachlesen. Morn muß dringend ins Krankenrevier. Ich schaffe sie hin und bin gleich wieder da. Denk jetzt nicht an die G, ich halte schon irgendwie durch.« Er wußte selbst nicht wie. Bevor die Posaune sich aus dem Würgegriff der Singularität befreite, mochte ihre effektive Masse sich verdoppeln oder verdreifachen. »Flieg einfach geradeaus«, empfahl er, »bis du aus ’m Scanning ersiehst, wo wir stecken. Dann mußt du versuchen, ’n Weg aus dem Asteroidenschwarm zu finden.«
Er wartete auf keine Antwort Mikkas. In großer Sorge darum, wie sehr er Morns Verletzungen verschlimmern mochte, öffnete er grimmig ihre Sesselgurte. Er beugte sich vor, schob die Schulter unter Morns Oberkörper und hob sie aus dem G-Andrucksessel, hielt sie an einem Bein und dem unversehrten Arm fest. Der Schmerz zwischen seinen Rippen schien ihm die Brust zu zerreißen, als er von der Kommandokonsole zur Seite wich, um Mikka Platz zu machen.
Sie stand noch am Aufgang. In ihrem Gesicht spiegelten sich keine Fragen: Ihre Aufmerksamkeit hatte sich nach innen gekehrt. Davies befürchtete, sie könnte sich weigern: daß sie entgegnete, Ciro brauchte sie zu dringend, oder daß sie zu ermattet sei, um die verlangte Tätigkeit übernehmen zu können. Er sammelte Kraft, um sie anzuschreien, entweder auf sie einzuschimpfen oder sie anzuflehen…
Doch er hatte ihre Reglosigkeit mißverstanden. »Oder ich kann unsere Position anhand des Computerlogbuchs und der Lage des Schwarzen Lochs rekonstruieren«, murmelte sie vor sich hin, als dächte sie laut nach. »Die G-Vektoren in Relation zu den vorherigen Asteroidenkonstellationen bringen. Dann müßt’s möglich sein, uns auf den von der Kommunikationszentrale genannten Kurs zurückzulenken…«
Verdammt. Verdammt noch mal. Warum hatte er daran nicht gedacht? Was stimmte nicht mit ihm?
Nein. Es fehlte ihm an Zeit, um sich jetzt mit den eigenen Unzulänglichkeiten abzugeben. »Dann tu’s«, keuchte er. »Sonst sind wir erledigt.«
Langsam näherte er sich Mikka und dem Aufgang, japste unter der Last des allzu hohen Gewichts.
Sie trat beiseite, entfernte sich erst zur Kommandokonsole, als Davies sich aufs Geländer stützte. Das Schwarze Loch und die momentane Schubleistung der Posaune bürdeten ihm mindestens 100 Kilo mehr auf, als er zu tragen gewohnt war: die Anstrengung verursachte ihm Pochen in den angeschlagenen Rippen und dem verbundenen Arm. Der Aufgang sah abschreckend hoch aus, als wäre er unersteigbar.
Aber vielleicht waren es gerade derartige Herausforderungen, bei denen er sich am besten bewährte; vielleicht hatte die Konditionierung in Morns Gebärmutter ihn darauf vorbereitet, nun Erfolg zu erzwingen. Seine endokrinischen Anlagen verliehen ihm größere Kräfte, als er seiner Statur nach hätte haben dürfen.
Er schob Morns Beine in seine Armbeugen und zog sich, beiderseits am
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