Amnion 4: Chaos und Ordnung
Raumschiff angegriffen worden. Und wo ein unbekannter Gegner lauerte, konnte es ohne weiteres mehr geben.
Die Posaune befand sich nicht außer jeder unmittelbaren Gefahr, solange sie nicht den Asteroidenschwarm verlassen und genug Geschwindigkeit erlangt hatte, um in die Tach überzuwechseln.
Davies fluchte, um seine Müdigkeit zu verscheuchen. »Bist du dazu in der Lage, ihn ins Krankenrevier zu bringen?« knurrte er ins Mikrofon. »Gegenwärtig ist Morn dort. Ihre Behandlung dürfte aber jetzt beendet sein.« Wieviel konnte er Vector zumuten? Er hatte keine Ahnung. »Sie müßte«, fügte er rauh hinzu, »in ihre Kabine verlegt werden.«
»Ins Krankenrevier?« wiederholte Vector. Seine Stimme hatte jetzt einen breiigen Klang, als wäre er am Einschlafen. »Morn in ihre Kabine verlegen? Bei Null-G? Das kriege ich ja wohl noch hin, würde ich sagen.«
Anschließend sprach er wieder etwas kräftiger. »Aber eines muß ich klarstellen, Davies, ich bin’s leid, nicht zu wissen, was vorgeht. In so hoher G da draußen herumzuturnen war der mühseligste Spaß, den ich mir je geleistet habe. Das war wie an einer Felswand mit einer halben Tonne Last auf den Schultern. Ich dachte schon, ich erreiche Angus nie… Oder ich könnte ihn, als ich endlich bei ihm war, nicht festhalten. Und die Aussicht, in ’n Schwarzes Loch gezogen zu werden, hat mich nicht gerade begeistert. Ich bin kein Deaner Beckmann.« Sein Tonfall deutete ein flüchtiges Lächeln an. »Es hat mich gestört, daß ich nicht wußte, weshalb ich das da erledigen sollte. Ich kann nicht anders, immer wenn ich glaube, ich muß sterben, will ich wissen warum.«
Ganz langsam betätigte Mikka die Schaltung – seit die Posaune der Gravitationsquelle entwichen war, tat sie alles langsam –, die die bordweite Interkom-Rundruffunktion aktivierte. »Erklär’s ihm«, verlangte sie von Davies. »Dun und Ciro. Sie müssen beide Bescheid wissen.«
Ihre eigenen Bedürfnisse erwähnte sie nicht. Vielleicht ersah sie alles, was sie wissen wollte, aus dem Computer-Logbuch. Oder möglicherweise hatte sie auf irgendeine grundlegende Art vorübergehend für sich selbst zu existieren aufgehört.
Gefühlsmäßig scheute Davies die Erfüllung ihres Wunschs. Ihm waren zuviel Fehler unterlaufen, er hatte zu vieles vergessen, dem Schiff und der Besatzung schlechte Dienste geleistet. Jetzt plagte ihn die Sorge, ihn könnte, wenn er an all das dachte, was er sich nicht verzieh, von seiner Schwäche überwältigt werden. Doch ihm war klar, daß Mikka recht hatte. Gerade weil er sich so schwach fühlte, mußte er stark sein.
Gleichmütig beobachtete Mikka ihn, während er sich ans Mikrofon beugte.
»Nichts von allem, was passiert ist«, sagte er grob, indem er sich mit Unnahbarkeit wappnete, »war meine oder Morns Idee. Alles geht auf Angus zurück.«
Denkt daran. Merkt euch, wer uns das Leben gerettet hat.
»Wir hatten unterstellt, wir folgten der Sturmvogel zum Asteroidenschwarm hinaus, aber irgendwie hat sie’s fertiggebracht, sich hinter uns zu setzen. Dann sind wir der Freistaat Eden begegnet.« Wie ein Dummkopf hatte Davies auf sie geschossen, ohne sie überhaupt im Visier zu haben. »Morn hat euch von ihr erzählt. Angus wußte nicht genau, wie er sie bekämpfen sollte, deshalb haben wir kehrtgemacht und sind in ’n Schwarm zurückgeflogen. Er wollte sich erst mit der Sturmvogel befassen, bevor wir uns mit der Freistaat Eden anlegen. Angus hat sichergestellt, daß wir keine Wahl hatten.« Davies beabsichtigte, eine unmißverständliche Aussage zu machen. Die Posaune verdankte ihre Rettung nicht ihm: Alle an Bord wären umgekommen, hätte ihr Leben von ihm abgehangen. »Er hat eine Havarie vorgetäuscht. Ich glaube, er hatte vorgehabt, die Sturmvogel näher zu locken. Alles Erforderliche hatte er vorher programmiert. Dann hat er die tragbare Materiekanone genommen und ist ausgebootet, aber bevor es zum Kampf kam, holte die Freistaat Eden uns ein. Sie hat sofort das Feuer auf die Sturmvogel eröffnet.«
Grimmig beschrieb Davies, was er und Morn getan hatten; was er über Angus’ Vorgehen wußte. »Eigentlich hätte es undurchführbar sein müssen«, knurrte er, »aber irgendwie hat’s geklappt. Die Freistaat Eden ist in das Schwarze Loch gestürzt. Vielleicht die Sturmvogel auch, ich weiß es nicht. Aber ich vermute, daß sie noch irgendwo kreuzt und uns wiederzufinden versucht. Uns der Gravitationsquelle zu entziehen war keine leichte Aufgabe. Zunächst hatten wir
Weitere Kostenlose Bücher