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Amnion 4: Chaos und Ordnung

Amnion 4: Chaos und Ordnung

Titel: Amnion 4: Chaos und Ordnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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schien, als dränge die Stimme aus dem Interkom-Apparat an Mins Gehör, während sie auf dem Grund eines Meers der Erschöpfung schlief. Trotz der blechernen Zudringlichkeit des Lautsprechers hielten Träume, so zähflüssig und entlegen wie die Tiefen eines Ozeans, sie nieder.
    »Direktorin, hören Sie mich?«
    Nein, sie hörte ihn nicht. Nicht einmal Dolph Ubikwes Stimme hatte die Macht, ihre unendliche Müdigkeit auszuloten. Die Last der See, der Bomben und der Scham hielt sie auf dem Boden der Tiefe fest. Morn Hyland war im Stich gelassen worden: man hatte sie hintergangen und anschließend ihrem Schicksal überlassen. Sie an Nick Succorso abgegeben, als wäre sie nicht mehr als eine Kredit-Obligation; als wäre sie es nicht einmal wert, daß man sie, nachdem er sie weggeworfen hatte, vom Fußboden auflas. Godsen Frik war tot, beinahe wäre Sixten Vertigus ebenfalls ermordet worden, und Warden Dios hatte Min fortgeschickt, um sich die Folgen des Alleingelassenseins Morns anzusehen, der Machenschaften und Verbrechen Holt Fasners. Im Zustand dieser Erniedrigung würde sie die Interkom niemals hören.
    »Direktorin, hier spricht die Brücke. Wir orten Raumschiffsverkehr.«
    Dennoch hörte sie die Stimme. Sie war Min Donner: sie stand auf, wenn man ihr Meldung machte, gleich wie schwer es ihr fiel. Und Warden Dios sah Anlaß zu der Annahme, Morn Hyland könnte überleben… Er selbst hatte es ihr gesagt. Das Spiel, das er spielte, reichte tiefer als Träume. Irgendwie ertasteten ihre Hände die Verschlüsse des Anti-G-Kokons und des dazugehörigen Gurtwerks, die ihr in der Koje Sicherheit gewährten; sie schwang die Beine von der Koje. Kaum stand sie mit den Stiefeln auf dem Deck, langte sie nach dem Interkom-Gerät.
    »Hier Donner«, rief sie hinein, indem sie Scham und Verlassensein unterdrückte. »Frage an Kapitän Ubikwe, Brücke.« Unbewußt strichen ihre Finger über den Griff der Pistole, um sich davon zu überzeugen, daß sie noch im Halfter stak. Um auf den Moment des Erwachens vorbereitet zu sein, hatte sie in kompletter Kleidung und bewaffnet geschlafen. »Was für Raumschiffsverkehr?«
    »Es sind zwei Raumer«, antwortete Dolph Ubikwe unverzüglich. »Bisher liegen uns keine Identifikationen vor.«
    Beim dunklen Klang seiner Baßstimme merkte Min, daß die paar Stündchen Schlaf zur Erholung ihres Hörvermögens beigetragen hatten. Ihre Trommelfelle fühlten sich noch sehr empfindlich an, aber die Stimmen anderer Leute erregten nicht mehr den Eindruck, als wären sie in eine Rückkopplungsschleife geraten.
    »Von sich aus haben sie sich bislang nicht identifiziert«, erklärte Ubikwe. Trotz der blechernen Tonübertragung der Interkom hörte man ihm seine Ausgelaugtheit an. »Wir haben allerdings auch keine Identifizierung angefordert. Und wenn wir nicht funken, warum sollten sie’s?«
    Fangen Sie bloß nicht mit mir zu frotzeln an, Dolph, hätte Min ihn am liebsten angeraunzt. Träume hatten sie verbittert. Ich habe eine klare Frage gestellt, also geben Sie mir eine klare Auskunft. Aber sie bezähmte ihren Verdruß. Er verdiente keinen Sarkasmus. Die Rächer hatte schon genug Probleme.
    »Machen Sie’s nicht so kompliziert, Kapitän«, entgegnete sie statt dessen. »Ich bin noch halb am Schlafen. Wo sind wir überhaupt?«
    »Im Moment« – die Übertragungsqualität der Interkom konnte dem dunklen Rumpeln von Ubikwes Stimme nicht im geringsten gerecht werden – »kreuzen wir dreißigtausend Kilometer vom Bannkosmos entfernt, auf der von der KombiMontan-Station abgewandten Seite des Asteroidengürtels. Wir hätten vor anderthalb Stunden in geeigneter Position sein können, nur habe ich kein Versteck gefunden, das mir behagte.« Sein Tonfall deutete ein humorloses Grinsen an. »Gegenwärtig weichen wir lediglich Asteroiden aus und benehmen uns unauffällig, bis wir eine passable magnetische Resonanz entdecken.«
    Nun mußte Min die Zähne zusammenbeißen, um nicht in heftigen Tadel zu verfallen. Mit einem Blick auf das Kabinenchronometer sah sie, daß sie wenigstens vier Stunden lang geschlafen hatte; doch ihr Befehl an Ubikwe hatte gelautet, die Rächer binnen drei Stunden in Position zu bringen.
    Gottverdammt noch mal, du elender Dreckskerl, du solltest mich doch wecken!
    Er hatte Zeit herausgeschunden. Das Kommende aufgeschoben, solang es sich einrichten ließ…
    Es kostete sie erhebliche Mühe, auch diesen Ärger zu verhehlen. Wäre sie seine antiautoritären Tendenzen nicht zu tolerieren bereit,

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