Amnion 4: Chaos und Ordnung
haben, daß sie am Leben bleibt… Das heißt, durch Sie.
Er spielte ein viel hintergründigeres Spiel…
Min klammerte sich um Halt an Crays G-Andrucksessel, las Angus Thermopyles Nachricht, so schnell sie über die Bildfläche wanderte.
DRINGEND, betonte er nochmals. Die Amnion wissen von dem in Nick Succorsos Besitz befindlichen Antimutagen-Immunitätsserum. Möglicherweise haben sie aus Morn Hylands Blut eine Probe des Mittels gewonnen.
Irgendwie mußte Morn zeitweilig in die Klauen der Amnion gefallen sein. Wer hatte sie befreit? Und wieso war sie noch Mensch? Hatte Nick, Nick Succorso, ihr das Medikament verfügbar gemacht?
Hashi, du Schwachkopf! Ist dir so etwas, als du einem Mann wie ihm Vertrauen geschenkt hast, nicht vorhersehbar gewesen?
DRINGEND. In hellem Phosphorschimmer schoben sich Thermopyles Zeilen unerbittlich über die kleine Mattscheibe. Davies Hyland ist Morn Hylands auf Station Potential per amnionischem Schnellverfahren geborener Sohn. Die Amnion wollen ihn für ihre Zwecke haben. Sie glauben, daß er ihnen zu den Kenntnissen verhilft, die sie brauchen, um von Menschen ununterscheidbare Amnion zu züchten.
Min überhörte Crays gedämpftes Aufjapsen des Schreckens. Beharrlich verschloß sie sich jeder Ablenkung und scherte sich um nichts als den Text.
DRINGEND, mahnte Angus Thermopyle abermals, als hätte er Sorge, ungenügendes Gehör zu finden. Die Amnion experimentieren mit Ponton-Antrieben neuen Typs, um mit ihren Kriegsschiffen fast Lichtgeschwindigkeit erreichen zu können. Nick Succorso und seine Rest-Crew sind darüber genauer informiert. Wir werden zu überleben versuchen, bis eine neue Programmierung erfolgt. Ende der Benachrichtigung. Isaak.
»Direktorin«, erkundigte sich Dolph mit einem Anflug von Schärfe, »wie sollen wir vorgehen? Die Freistaat Eden wird nicht ewig auf uns warten und stillhalten. Aus dem Bannkosmos steuert ein unidentifiziertes Raumschiff auf uns zu. Und aus irgendeinem Grund« – sein Lächeln mißriet zu einer Grimasse – »hat die Posaune ein Peilsignal gefunkt, dem wir vielleicht folgen sollten. Wir müssen uns entscheiden, stimmt’s? Ob in diese oder in jene Richtung, wir brauchen Beschleunigung.«
Min hörte kaum zu. Morn Hyland. Sie lebte, weil Warden Dios sie gerettet hatte. Morn mit ihrem Zonenimplantat und dem im Schnellwachstumsverfahren geborenen Sohn. Und Amnion hatten die Verfolgung aufgenommen. Vermutlich war das Raumschiff, das sich aus dem Bannkosmos näherte, eine amnionische Einheit: es ging wahrlich um genug für eine Grenzverletzung.
Morn saß in einem auf der Flucht befindlichen Interspatium-Scout – zusammen mit den beiden Männern, die ihr das größte Leid zugefügt hatten, den zwei Männern, die zu fürchten sie den meisten Grund haben mußte.
Und für diesen Fall möchte ich von jemandem dafür gesorgt haben, daß sie am Leben bleibt…
Es war soweit: an der Zeit für Min, daß sie sich bewährte; sie Warden Dios zeigte, er hatte mit ihr die richtige Person ausgewählt.
Brüsk hob sie die Hand, um Dolph zum Schweigen zu bringen. Alle Autorität im Blick geballt, wandte sie sich an die Funkoffizierin.
»Wie viele Kurierdrohnen haben Sie übrig?«
Cray mußte nicht erst nachprüfen; sie hatte ihre Zuständigkeiten im Griff. »Drei, Sir.«
»Setzen Sie eine ein«, befahl Min. »Der Dienstweg ist zu langwierig, hier und unter diesen Umständen dürfen wir uns damit nicht zufriedengeben. Es könnten Stunden vergehen, bis die Meldung den Polizeipräsidenten erreicht. Also schicken Sie eine für Warden Dios codierte Nachricht ans VMKP-HQ. Übermitteln Sie ihm eine Kopie der Meldung, die wir von der Posaune aufgeschnappt haben. Ergänzen Sie sie um eine Übersicht der hiesigen Vorgänge seit unserem Eintreffen in diesem Raumsektor, er wird sich dazu seine Gedanken machen. Und fügen Sie alle aus dem Peilsignal ersichtlichen Daten hinzu, Beschleunigung, Kurs, Tach-Parameter, alles, was feststeht, bis Sie die Kurierdrohne starten. Teilen Sie ihm mit« – quer durch die Brücke schaute sie Dolph Ubikwe mit einem Blick an, der auf ein Versprechen hinauslief –, »daß wir Isaak folgen. Gehen Sie unverzüglich an die Arbeit.«
Mit gewohnheitsmäßiger Unwillkürlichkeit sah Cray den Kapitän um Zustimmung an.
Unter Ubikwes Fett hatten sich die Muskeln gestrafft; aus Ärger oder Bedenken quollen ihm ein wenig die Augen aus dem Kopf. Trotzdem nickte er knapp. Sofort machte Cray sich an die Ausführung des Befehls.
Ubikwe
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