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Amnion 4: Chaos und Ordnung

Amnion 4: Chaos und Ordnung

Titel: Amnion 4: Chaos und Ordnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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genug, um von Männern und Frauen bewältigt zu werden.

 
WARDEN
     
     
    Warden Dios litt wie nie zuvor in seinem Leben Furcht. Geplant hatte er den heutigen Vorgang, ihn selbst vorbereitet. In gewissem Umfang war er also voraussehbar gewesen. Folglich mußte er heute darauf eingestellt sein. Andernfalls könnte er nie bereit sein.
    Dennoch hatte er Furcht bis ins Mark; derartige Furcht, daß er den Drang verspürte, die Fäuste eine gegen die andere zu schlagen und herumzuschreien.
    Leider durfte er sich so etwas nicht leisten.
    Soeben hatte er den Funkspruch der Rächer erhalten: Min Donners Meldung. Schonungslos wanderte der phosphoreszente Text in einem der abhörsicheren Büros über den Monitor des Schreibtischs. Doch er konnte sich nicht damit befassen, weil ihm gegenüber Koina Hannish saß, die neue Direktorin des Ressorts Öffentlichkeitsarbeit, und angelegentlich über die Vorkommnisse sprach, die seit ihrer Ernennung ihre gesamte Aufmerksamkeit beanspruchten. Er mußte das Gespräch beenden, sie loswerden, ehe er sich richtig mit Mins Meldung auseinandersetzen konnte.
    Die Ursache seiner Furcht war, daß Min nicht seine persönlichen, exklusiv ihm vorbehaltenen Prioritätscodes benutzt hatte. Statt dessen hatte sie die Rächer den Funkspruch dem VMKP-HQ auf dem üblichen Dienstweg übermitteln lassen.
    Selbstverständlich sah sie keine Ursache zu glauben, irgendwer außerhalb der Kommunikationsabteilung des VMKP-HQ könnte die Nachricht entziffern. Allerdings bedeutete ›Dienstweg‹, die Ankunft der Meldung war jetzt sowohl in der Kommunikationsabteilung wie auch im Operativen Kommandozentrum allgemein bekannt. Mit anderen Worten, die Tatsache, daß die Meldung existierte, hatte bereits Eingang in den routinemäßigen Datenaustausch gefunden, den man permanent zwischen dem VMKP-HQ und Holt Fasners Firmensitz abwickelte.
    Bald erfuhr der Drache von Mins Funkspruch; falls er nicht schon davon wußte.
    Daß es so kam, war absehbar gewesen; es entsprach völlig Min Donners Charakter und dem Verhältnis zwischen dem VMKP-HQ und Fasner. Und Warden selbst hatte ausgeklügelt darauf hingearbeitet, daß es geschah.
    Und trotzdem jagte es ihm jetzt, da es sich tatsächlich so ereignete, Furcht ein.
    Noch wußte er nicht, was Mins Meldung enthielt; was für Folgen sie haben könnte; welchen Preis sie fordern mochte. Die Konsequenzen seines Handelns trugen allmählich Früchte, die sich seiner Beeinflussung entzogen, die er sich vielleicht noch gar nicht in ihren vollen Auswirkungen vorstellen konnte.
    Nun fing das Ringen zwischen ihm und seinem Herrn und Meister im Ernst an. Künftig hatte er keinen Spielraum mehr für Fehlschüsse, fand er keine Gelegenheit mehr zu zweideutigen Entscheidungen. Falls es ihm mißlang, den Streit um sein altes Anliegen zur offenen Austragung zu bringen und zu gewinnen, war alles, was er angestrebt, was er von seinen Mitarbeitern verlangt hatte, vergeblich gewesen.
    Er mußte wissen, was in der Meldung stand.
    Aber seine Furcht war nicht Koina Hannishs Problem. Weder hatte sie sie hervorgerufen, noch war sie abzuhelfen in der Lage. In Wahrheit könnte Warden niemand anderem außer sich selbst irgendwelche Vorwürfe machen. Er hatte Min Donner nicht zu äußerster Geheimhaltung ermahnt; ihr nicht befohlen, auf dem Einsatzflug der Rächer anders als bei jeder anderen Aktion der Operativen Abteilung der VMKP zu verfahren. Im Gegenteil, er hatte zugelassen, daß sie ihn auf eine Weise kontaktierte, durch die das Vorliegen ihrer Benachrichtigung unvermeidlich zur Aufmerksamkeit des Drachen gelangen mußte.
    Dank purer Willenskraft verhinderte er, daß sich vor der RÖA-Direktorin auch nur die kleinste Spur seiner inneren Regungen in seiner Miene zeigte. Jahre des Suchens und Planens mit dem Ziel, seine beeinträchtigte Ehrbarkeit wiederherzustellen, hatten ihn zumindest soviel Selbstüberwindung gelehrt.
    Tadellos adrett und selbstbeherrscht schaute Koina Hannish ihn erwartungsvoll an, während er mit einem Tastendruck das Abrollen der Textzeilen auf der Bildfläche stoppte. Hätte sie einen IR-Scanner gehabt, wie seine Augenprothese einen enthielt, wäre ihr sein innerlicher Aufruhr ersichtlich geworden; doch natürlich brauchte sie sich nicht mit artifiziellen Sehhilfen und Wahrnehmungen abzuplagen – und mit keinen falschen Abhängigkeiten der Art, die Godsen Friks Verhängnis herbeigeführt hatten. Warden hingegen durchschaute sie klar genug, um zu erkennen, daß sie sein Büro

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