Amnion 5: Heute sterben alle Götter
Tätigkeit. Porson interessierte sich ostentativ nur für seine Sensoranzeigen und Meßdaten. Bydell hingegen kauerte vor der Datensysteme-Kontrollkonsole, als wäre sie aus Besorgnis nachgerade gelähmt. Glessen ballte die Fäuste und saß still da, schimpfte vor sich hin.
An der Kom-Konsole setzte Min Donner ihr Gespräch mit der Stationszentrale fort, als scherte es sie nicht mehr, was Warden Dios zu sagen hatte. Davies beneidete sie um ihre Gefaßtheit, ihr Belastbarkeit. In dieser Hinsicht stand er weit hinter ihr zurück. Seine Nerven gellten.
Morns Schultern zuckten krampfhaft, als sie das Mikrofon der Kommandokonsole einschaltete. »Polizeipräsident Dios…« Ihr stockte die Stimme. Sie schnitt ihrer Schwäche eine Fratze und schluckte, um die Kehle anzufeuchten. »Hier spricht Morn Hyland an Bord der Rächer. Ich habe das Kommando.«
Einen Moment lang blieb Warden Dios’ Antwort aus. Statik erfüllte sein Schweigen mit Doppeldeutigkeit: Vielleicht verschanzte er sich dahinter. »Habe ich Sie richtig verstanden?« erkundigte er sich schließlich mit bedächtigdeutlicher Aussprache. »Sie sind Leutnantin Morn Hyland? Von der Stellar Regent?« Sein Ton verschärfte sich. »Und Sie haben das Kommando?«
Anscheinend hatte er sich mit der Stationszentrale nicht über die Rächer verständigt. Oder nicht mit Hashi Lebwohl.
»Ja, Sir.« Morn hob den Kopf; rückte das Kinn zu einem energischen Ausdruck zurecht. »Mein Vater war Kapitänhauptmann Davies Hyland. Aber ich betrachte mich nicht mehr als ›Leutnantin‹. Als ich an Bord der Käptens Liebchen gegangen bin, habe ich meinen Rang abgelegt. Ich habe das Kommando über die Rächer in der Nähe des Massif-5-Systems übernommen. Direktorin Donner und Kapitän Ubikwe sind hier auf der Brücke. Niemandem ist etwas zugestoßen.« Grimmig kam sie zur Hauptsache. »Allerdings treffe jetzt an Bord ich die Entscheidungen.«
Ihr Tonfall stellte klar: Sie brauchen mir keine Befehle mehr zu geben. Ich führe sie nicht aus.
Wieder antwortete Dios zunächst mit Schweigen. Möglicherweise hatte Morn ihn in Bestürzung versetzt. Doch als er auf ihre Worte einging, vermittelten Entfernung und Störungen den Eindruck, daß er seine Gefühle strikt in der Gewalt hatte.
»Entschuldigen Sie, Morn. In letzter Zeit habe ich schon zu viele Überraschungen erlebt. Es fällt mir schwer, alles so schnell zu verdauen. Ich bin gerade darüber informiert worden, daß Sie so ein Ding schon einmal gedreht haben. Auf einem Raumschiff das Kommando übernommen, obwohl es Ihnen nicht zustand.« Er enthielt sich einer Erklärung; vermutlich jedoch war ihm von Vestabule erzählt worden, mit welcher Methode sie Station Potential nach Nicks Eintausch ihres Sohns gegen Ersatzteile für den Ponton-Antrieb zu Davies’ Rückgabe gezwungen hatte. »Offensichtlich sind Sie in dieser Beziehung sehr tüchtig.« Vestabule mußte ihm geschildert haben, wie sie Davies’ Freilassung erpreßt hatte.
»Ich will Sie gar nicht erst fragen, was Sie sich dabei eigentlich denken«, fuhr der VMKP-Polizeipräsident fort. »Uns fehlt die Zeit, uns damit zu befassen. Angesichts der Umstände kann ich allerdings nicht ausschließlich auf Ihre Behauptung bauen, daß Direktorin Donner und Kapitän Ubikwe wohlauf sind.«
»Sie haben nicht mehr einstecken müssen als ein paar harte Worte.« Für Davies klangen Morns Äußerungen genauso unpersönlich und schleierhaft wie Dios’ Einlassungen. »Sie dürfen sich gerne davon überzeugen. Aber mit Direktorin Donner können Sie nicht sprechen. Sie ist beschäftigt. Ich habe ihr zugestanden, während Ihrer Abwesenheit als befehlshabende Direktorin zu fungieren. Als Gegenleistung hat sie Kapitänhauptmann Ubikwe befohlen, mir nicht in die Quere zu kommen.«
Diesmal kam Dios’ Antwort sofort. »Können die beiden mich hören?«
»Unsere Brücken-Lautsprecher sind in Betrieb, Polizeipräsident«, erklärte Morn in bissigscharfem Ton. »Wir alle hören Sie.«
Von nun an gibt es keine Geheimniskrämerei mehr.
»Kapitän Ubikwe?« fragte Dios’ leicht verzerrte Stimme unverzüglich. »Geht es Ihnen gut?«
Der Kapitänhauptmann öffnete den Mund zum Antworten, klappte ihn wieder zu. Stummen Blicks ersuchte er Morn um Erlaubnis.
Über die Schulter schaute sie ihn an und nickte.
»Nein, Polizeipräsident Dios, es geht mir nicht gut.« Verbitterung grollte in Dolph Ubikwes tiefer Stimme. »Überhaupt nichts ist gut. Aber ich weiß nicht, wie ich dem abhelfen soll. Ich
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