Amnion 5: Heute sterben alle Götter
seine Sitzgurte und stieß sich aus dem Sessel des Ersten Offiziers zum Ausgang der Brücke ab.
»Scheiße«, murrte Angus die Monitoren an. Es mochte nicht mehr lange dauern, bis Dios’ Schweigen bei ihm Verärgerung hervorrief. Für Angus’ Geschmack wurde der Mann schlichtweg zu stark von Todessehnsucht vorwärtsgetrieben. Wie zuvor Ciro war er durch das Mutagen übergeschnappt. Oder er war schon immer verrückt gewesen…
Angus schaltete die Displays der Kommandokontrollkonsole ab, entledigte sich der Sesselgurte und schloß sich dem Polizeipräsidenten an.
Am Waffenschrank holte er Warden Dios ein. Dios hatte den EA-Anzug abgestreift und versah sich gerade mit allem, was er tragen konnte: einem Impacter-Gewehr und mehreren Sprengladungen, zwei Laserpistolen, einem Dolch mit Sägeklinge sowie einem halben Dutzend Wurfgranaten.
Angus pfiff durch die Zähne. »Ich dachte mir schon, daß Sie mit Schwierigkeiten rechnen.«
Dios heftete einen Blick klarster Konzentration auf Angus; einen Blick derartiger Festigkeit und Härte, daß er keine Schwäche einräumte, kein Gefühl ausdrückte. »Das kann man wohl sagen.« Die Autorität in seiner Stimme war hart wie eine Faust geworden. Wie ein Raubtier hatte er zuzuschlagen vor, während seine Beute sich im Nachteil befand.
»Hier ist seit Jahrzehnten eine eingeschworene Betriebsschutztruppe etabliert«, erklärte er Angus. Offenbar sah Dios darin Fasners treue Helfer. »Wahrscheinlich denken sie, es wäre das größere Übel, keinen Widerstand zu leisten. Sobald Min Donner Zeit zum Ausmisten findet, wird sie den ganzen Haufen verhaften. Immerhin haben diese Leute sich für einiges zu verantworten, angefangen beim Beschuß Suka Bators. Aber solange sie hoffen, es könnte noch einen Ausweg geben, werden sie sich wehren.«
Angus versuchte, sich für die Betriebsschutzleute einen ›Ausweg‹ vorzustellen. Einen Handel? Ein Raumschiff? Das Wunder politischer Begnadigung? Aber im Grunde genommen war es ihm einerlei.
Wenigstens redete Warden Dios wieder mit ihm.
»Also, was machen wir nun?« erkundigte Angus sich noch einmal, während er sich aus der lästigen Enge des EA-Anzugs pellte.
Dios hakte die Laserpistolen an den Gürtel, stopfte sich die Taschen mit Wurfgranaten voll. Jede Zögerlichkeit war ihm längst ausgebrannt worden. »Ich möchte, daß Sie sich Holt Fasner vorknöpfen.«
Angus wölbte die Brauen. Er hatte nicht geglaubt, daß Dios ihm ohne weiteres diese Gelegenheit zugestand.
»Und wie soll ich ihn finden?«
»Sehen Sie sich nach seiner Interspatium-Yacht um«, riet Dios. »Mutterwitz. Vermutlich parkt sie irgendwo in der Stationsnabe. Falls er nicht schon dort ist, dürfte er in Kürze eintreffen. Sie bietet ihm seinen Ausweg.«
Angus schüttelte den Kopf und schickte sich an, sich ebenfalls aus dem Waffenschrank zu bedienen. »Da hab ich Zweifel.« Über diese Möglichkeit hatte er schon nachgedacht. »Von der Nabe aus hätte er keinen freien Flugraum zum Sonnensystem hinaus. Zwei Raumschiffe Direktorin Donners sind nahe genug, um ihn abzufangen, ehe er genügend Geschwindigkeit für ’ne Hyperspatium-Durchquerung erreichen kann. Bestimmt hat er ’ne Parkbucht irgendwo am Außenrand belegt.«
Dann kam für Fasner irgendwann im Laufe der Rotation seiner GD das geeignete Fenster, um auf einem zur Flucht günstigen Vektor zu starten.
Doch der Außenrand des Torus erstreckte sich über mindestens zwanzig Kilometer. Es brauchte Stunden, um einen so langen Abschnitt der Orbitalstation abzusuchen.
Warden Dios ließ ihn ein Moment lang auf Antwort warten. »Wenn es so ist…« Er überlegte kurz. »Unter diesen Umständen sollten Sie wohl am besten mit seiner Mutter reden«, empfahl er. »Mir verrät sie vielleicht nicht, wo er steckt. Aber Ihnen erzählt sie’s, da bin ich mir ziemlich sicher.«
Angus verzichtete darauf, seine Verblüffung zu verheimlichen. Fasner hat eine Mutter? lag ihm als Frage auf der Zunge. Noch immer? Ist er dafür nicht zu alt? Aber er hatte keine Zeit für zweitrangige Angelegenheiten. »Warum sollte sie so etwas tun?« fragte er statt dessen.
»Das sehen Sie«, versicherte Dios grimmig, »wenn Sie sie gefunden haben.«
Bevor Angus irgendwelche Bedenken äußeren konnte, gab der Polizeipräsident ihm eine ausführliche Wegbeschreibung, die mit den Angaben in einem seiner Datenspeicher korrelierten.
»Na gut.« Angus beschloß, sich nicht um kleinere Unklarheiten zu scheren. Es widerstrebte ihm, sich davon beirren
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