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Amnion Omnibus

Amnion Omnibus

Titel: Amnion Omnibus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Donaldson
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Eigenschaft. Er widersetzt sich aktiv jeder Änderung der Verhältnisse, jeder Abwandlung der Perspektive, jeder Anfeindung seitens der Umwelt und durch abweichende Absichten. Er kämpft für den Bestand und die Verteidigung der Bedingungen, die er beibehalten will.
    Der Drang zum Chaos ist eine Manifestation des angeborenen
    Wissens der Menschheit um die Tatsache, daß die beste Methode, eine Gefahr zu überleben, die ist, vor ihr fortzulaufen. Dieser Drang konzentriert sich auf die Hilfsmittel der individuellen Phantasie und Schläue statt auf die Potentiale gemeinsamen Handelns. Zu den häufigsten offenen Ausdrucksformen zählen das Beharren auf Selbstbestimmung (Ablehnung von Einschränkungen), persönlicher Freiheit (Ablehnung fremder Anforderungen) und auf Nonkonformität (Befreiung von Ursachen und ihren Wirkungen). Allerdings ist ein derartiges
    Beharren vornehmlich eine Rationalisierung des Wunschs zu fliehen, durch Flucht zu überleben.
    Folglich ist der Drang zum Chaos gleichfalls eine aggressive Eigenschaft. Der bloße Akt des Fliehens bringt jedes System der Ordnung zum Einsturz: Er widerspricht dem Konzept der Sicherheit, vermeidet Stabilität, trotzt dem Prinzip von Ursache und Wirkung.
    Geradeso wie der Hang zur Ordnung kämpft er um Erhalt und Verteidigung der erwünschten Bedingungen.
    Andererseits wiederum wären Stabilität und Berechenbarkeit unmöglich ohne Chaos. Das Chaos übt auf die Ordnung den Druck aus, dessen sie bedarf, um sich akkurat zu verändern. Ohne Akkuratesse tendierte Ordnung vom Anfang ihrer Existenz an zum Selbstzerstörerischen.
    Aus diesen Gründen währt das Ringen zwischen Ordnung und Chaos zwangsläufig ewig und verlangt einen hohen Tribut. Aufgrund ihrer Natur sind Menschen bei der Selbstverteidigung am gewalttätigsten und kriegerischsten. In jeder weniger fruchtbaren Welt verböte es sich von selbst, für das Überleben einen solchen Preis zu entrichten.
    In diesem Kontext ist die große Bedeutung der Data-Nuklei leicht zu verstehen.
    Sowohl in übertragenem Sinn wie auch faktisch waren sie ein starkes Werkzeug der Ordnung. Sie gaben den Regierungen der Erde – und der Vereinigte-Montan-Kombinate-Polizei (VMKP), die im Effekt als Vollstrecker ihres Willens fungierte – die Möglichkeit, zu erfahren, was auf jedem Raumschiff überall im Human-Kosmos geschah. Letzten Endes bestand damit eine Handhabe, um alles zu überwachen, was sich ereignete – oder unerwünschte Taten zumindest nachträglich mit Sanktionen abzustrafen.
    Gewiß war das nicht das Kalkül, das ursprünglich der Einführung der Data-Nuklei zugrunde lag. Anfangs lautete die Begründung
    lediglich, daß der Weltraum riesig sei, das Hyperspatium mysteriös und daß öfters Unfälle vorkämen. Wenn die Zukunft aus der Vergangenheit
    lernen wollte – um die Raumfahrt sicherer zu machen –, müßte sie über das Vergangene Bescheid wissen. Darum gelte es aufzuzeichnen, was jedes Raumschiff an Erkenntnissen und Erfahrungen sammelte, unternahm und erlebte, damit seine Vergangenheit zwecks Analyse und Auswertung zur Verfügung stünde. Und selbstverständlich müßten diese Aufzeichnungen in unveränderbarer Form vorhanden sein, um dagegen vorzubeugen, daß sie durch Beschädigungen, aus Eigennutz, Dummheit oder Böswilligkeit falsifiziert wurden. Sicherlich sei es einsichtig, daß jedes Raumschiff – zum Wohle aller künftigen Raumfahrer – die technische Ausrüstung haben müßte, um Aufzeichnungen anzufertigen, die diesen Kriterien genügten.
    Allerdings waren die Möglichkeiten einer allgemeinen Überwachung so offensichtlich, daß man das Erstellen der Aufzeichnungen nicht dem guten Willen überließ. Man erhob die dafür unverzichtbaren Voraussetzungen zum absoluten Gebot: Kein Raumschiff durfte mehr gebaut und registriert werden, das kein automatisches, permanent fortschreibbares, elektronisches Logbuch an Bord hatte, das alles verzeichnete, was das Schiff ausführte, wer oder was ihm begegnete, alle getroffenen Entscheidungen, jede Handlung, jedes Risiko, jeden Defekt und jede Krise festhielt.
    Die Codes, die auf diese Computerlogbücher Zugriff gewährten, kannte nur die VMKP.
    Die für den Gebrauch in permanenten, automatischen Computerlogbüchern konstruierten Kernspeicher waren eine Weiterentwicklung der KMOS-Technologie (KMOS ist die Abkürzung für Komplementäre Metalloxid-Halbleiter). KMOS-Chips hatten den großen Vorteil, nur Strom zu verbrauchen, wenn ihr Zustand wechselte, das heißt,

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