Amok der Amazonen
Kriegsgeschrei.
Ich wich instinktiv zurück, bis
ich an die Fassade des Bürogebäudes hinter mir stieß. Starr und ungläubig sah
ich, wie Männer plötzlich die Straße hinunter um ihr Leben rannten, verfolgt
von Scharen hysterisch kreischender Frauen, die endlich dem Abschaum der
Gesellschaft ihre Überlegenheit beweisen wollten. Im ersten Ansturm wurde
mindestens ein Dutzend Männer überrannt, verschwand zwischen wild zuschlagenden
Fäusten und wütend tretenden Beinen in Mini-, Midi- und Maxiröcken. Unmittelbar
mir gegenüber konnte ich mehrere junge Männer sehen, die ihre Schuldlosigkeit
beteuerten, als wollten sie von einem allzu unnachsichtigen Richter eine
Begnadigung erflehen. Einer von ihnen lag sogar auf den Knien, was ein schwerer
taktischer Fehler war, denn ein Büromädchen mit dicker Hornbrille und Pickeln
im Gesicht nahm ihn von hinten in den Schwitzkasten und machte sich daran, ihn
zu erdrosseln.
Weiter rechts war ein Mann in
seiner Panik vor dem Mob gestürzt und wurde von einem hundertsechzigpfündigen
Teenager massakriert. Das Gesicht des Mädchens war zu sadistischem Grinsen
verzogen. Mir rann es eiskalt über den Rücken, und ich eilte über den
Bürgersteig, in der Hoffnung, eine Bar aufzutreiben, wo ich mich sinnlos
betrinken und die Amokszene vergessen konnte.
Als ich drei Stunden später aus
den Tiefen der Space Age Bar wieder auftauchte, war alles ruhig. Nicht einmal eine Leiche lag auf der
Straße. Ich konnte nur hoffen, daß Libby und die anderen auf dem Podium
geblieben waren, bis die Polizei den Aufstand niedergeschlagen hatte. Auf jeden
Fall fuhr ich nach »Amazon Acres«, um mich nach dem Stand der Dinge zu
erkundigen.
Es mußte ziemlich schlecht
stehen, denn Denice , die mich gemeinsam mit Lina am
Tor in Empfang nahm, machte nicht den kleinsten Annäherungsversuch.
»Alle sind in der Bar, Randy«,
bemerkte Linda trübe, als wir das Haus betraten.
Libby und Carrie saßen an der
Theke, jede an einem Ende, und vor zwei Hockern längsseits standen zwei
gefüllte Gläser. Dort mußten Linda und Denice gesessen haben. Mehrere freie Hocker trennten die vier Frauen voneinander.
In der Space Age Bar hatte ich
hinreichend Zeit zum Nachdenken gehabt, und ich fand, daß ein weiterer Bourbon
mir soweit klaren Kopf schaffen würde, daß ich die Fakten koordinieren konnte.
Linda und Denice zogen sich verdrießlich auf ihre Hocker zurück und starrten bedrückt auf die
Theke nieder. Libby saß wie gefroren da, das Gesicht in völliger Unbewegtheit erstarrt, und Carrie schien in eine Wolke der
Düsternis gehüllt.
»Wenn ich gewußt hätte, daß es
auf Ihren Versammlungen so lustig zugeht«, bemerkte ich gut gelaunt, »wäre ich
schon viel früher mal gekommen. Es gibt nichts, was einen Mann mehr erregt als
der Anblick frisch vergossenen Bluts .«
»Wir haben von Ihren zynischen
Bemerkungen nachgerade genug, Mr. Roberts«, sagte Libby steinern. Die anderen
ignorierten mich.
»Nun, wenn Sie unbedingt
Trübsal blasen wollen«, meinte ich, »dann reden wir doch mal von Mord. Das
heißt, wenn Sie Ihre Fehde mit der Hälfte der amerikanischen Bevölkerung so weit vergessen können, daß Sie Interesse dafür
aufbringen können, wer Nathaniel Neeble getötet hat —
und seine Frau .«
»Doris ?« fragte Libby verständnislos und blickte mich an, als bemerkte sie mich erst
jetzt. »Doris hat sich selbst das Leben genommen«, sagte sie.
»Was sagen Sie da, Randy ?« rief Linda mit spröder Stimme. »Doris hat doch eine
Überdosis — «
»Lassen wir das erst einmal«,
fiel ich ihr leichthin ins Wort. »Befassen wir uns zuerst mit dem armen
Nathaniel. Daß er ermordet wurde, daran besteht ja wohl kein Zweifel .«
Sie starrten mich an. Nur
Carrie wandte sich ab und blickte unverwandt zum anderen Ende des Raums
hinüber.
»Das Motiv für den Mord war
jenes, das sich gleich zu Anfang anbot — er war im Besitz von Informationen,
die der Organisation der Amazonen oder zumindest einem Teil der Organisation
hätten gefährlich werden können — tödlich, wenn sie veröffentlich worden wären,
von einem Mann wie Charles Morgan zum Beispiel. Wie Nathaniel in den Besitz
dieser Informationen gelangte, ist nicht klar, aber es wird sich wahrscheinlich
herausstellen, wenn die Polizei sich etwas näher mit seinem Tun und Treiben
während seiner Geschäftsreisen nach New York befaßt .
Tatsache ist, er wußte, daß sich hinter der Organisation der >Zornigen
Amazonen< ein Ring von Mädchenhändlern
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