Amok: Thriller (German Edition)
Craig setzte ihm nach, und Julia blieb sehr bald hinter ihm zurück. Er war schon fast oben angekommen, als Julia auf eine lockere Erdscholle trat und spürte, wie ihr Knöchel nachgab. Sie schrie auf, als sie zu Boden ging, und Craig hielt inne. Er blickte sich um und lief zu ihr zurück.
»Was ist passiert?«
»Bin mit dem Fuß umgeknickt. Es geht schon wieder.« Sie streckte die Hand aus und ließ sich von ihm aufhelfen.
»Du hättest im Haus bleiben sollen«, sagte er und zuckte gleich darauf zusammen, als er ihren grimmig entschlossenen Blick sah.
Auf seinen Arm gestützt, humpelte sie die letzten paar Meter bis zum höchsten Punkt des Kamms. Von hier an fiel das Gelände ab bis zu einer Gruppe von Eichen entlang eines Bachs, der die Ostgrenze von George Mathesons Besitz bildete. Der Killer war verschwunden.
»Mist!«, stieß Craig hervor. Julia war sich nicht sicher, ob ein Teil seiner Verärgerung ihr galt, weil sie ihn aufgehalten hatte.
»Wenn er in dem Wäldchen ist, kann er in beide Richtungen weitergelaufen sein. Wir werden ihn nicht erwischen.«
»War es derselbe Mann, den du in Camber gesehen hast?«
Sie nickte. Jetzt, da die unmittelbare Gefahr vorüber war und ihr Adrenalinspiegel wieder sank, merkte sie, wie ihre Beine zitterten. Ein eigenartiges Kältegefühl durchströmte ihren Körper, und sie hatte das Gefühl, dass alle ihre Muskeln zu einer gallertartigen Masse erstarrten.
»Er muss dir aufgelauert haben«, sagte Craig.
Julia wollte etwas erwidern, doch ihre Kehle war wie zugeschnürt. Ihr fiel auf, dass die Wolken plötzlich schwarz waren und der Himmel weiß, wie auf einem Negativ. Sie hörte Alices Worte – wie die Stimme Gottes ließen sie die Luft erzittern: Er wird Ihnen weiter nachstellen. Und das nächste Mal wird er Sie töten.
»Was hast du gesagt?«, fragte Craig, doch sie war sich nicht bewusst, überhaupt gesprochen zu haben. Vielleicht hatte er auch Alices Stimme gehört.
Dann stürzte er sich auf sie, und im letzten Moment, bevor sie das Bewusstsein verlor, begriff sie, dass Craig der zweite Schütze sein musste. Es war alles eine furchtbare Täuschung gewesen.
54
Der Killer rannte. Er dachte an den 19. Januar, dachte an die Risiken, die er eingegangen war, doch er wollte sich nicht mit Grübeleien über sein Versagen aufhalten. Fast eine Stunde war er in dem Haus gewesen. Es war kalt und verlassen, und mit ein bisschen Glück hätte er seine Suche erfolgreich abschließen können, ohne gestört zu werden. Stattdessen war diese Schlampe aufgetaucht, mit Walker im Schlepptau.
Er hatte nichts Belastendes gefunden, aber das war kaum ein Trost. Wieder einmal hatte er es riskiert, entlarvt, identifiziert und möglicherweise sogar gefasst zu werden, ohne im Gegenzug irgendetwas zu erreichen. Eine schrille Stimme in seinem Hinterkopf warnte ihn, dass die Situation ihm zu entgleiten drohte. Aber er hörte nicht darauf.
Sobald er ein Stück in das Wäldchen vorgedrungen war, vergewisserte er sich, dass er nicht mehr verfolgt wurde, und ruhte sich dann ein paar Minuten aus. Anstatt sich über eine neuerliche vergebliche Anstrengung den Kopf zu zerbrechen, dachte er lieber an etwas Inspirierenderes: die aufkeimenden Flammen, die über Peggy Foresters Körper gezüngelt hatten. Das war der wahre Maßstab seiner Fähigkeiten.
Er hatte überlegt, das Cottage in Brand zu stecken, die Idee jedoch wieder verworfen. Soviel er wusste, hatte die Polizei noch keine Verbindung zwischen dem Feuer in der Pension und dem in Peggy Foresters Haus hergestellt, aber ein dritter Brand hätte durchaus ihren Verdacht wecken können.
Seinen Wagen hatte er etwa eine halbe Meile von hier abgestellt, an einem Aussichtspunkt am Ortsrand von Falcombe. Als er dort ankam, setzte er sich zuerst einmal ins Auto und dache eine Weile über seine Alternativen nach. Er könnte gleich nach Hause fahren. Oder, da er schon einmal hier war, eine Entscheidung herbeizwingen.
Julia kam wieder zu sich, als Craig schwankend stehen blieb und überlegte, wie er sie über den Zaun bringen sollte. Er atmete schwer und war ganz rot im Gesicht.
»Ich bin okay«, sagte sie. »Du kannst mich runterlassen.«
»Sicher?«
»Ja. Bevor du dir noch einen Bruch hebst.«
Dankbar setzte Craig sie ab. Er stützte sie mit einer Hand im Rücken, und sie hielt sich an seiner Schulter fest, bis sie sicher war, dass sie ohne Hilfe stehen konnte.
»Was ist passiert?«, fragte sie.
»Du bist ohnmächtig geworden. Einfach
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