Amokspiel
Minuten.«
»Er hat Recht.« Ein schwaches Lächeln umspielte Fausts alte Lippen. »Sie verplempern kostbare Zeit mit falschen Spekulationen. Ich bin vielleicht karrieregeil, aber ich bin nicht böse.«
»Ach ja? Gut. Dann beweisen Sie es jetzt, und sagen Sie uns sofort, wo Leoni ist.«
»Das könnte ich nur tun, wenn wir alleine wären, Ira.«
»Was soll das heißen?«
Ira sah abwechselnd zu Faust und zu Götz. Dieser machte einen Schritt nach vorne und stellte sich in das Schussfeld vor Ira.
»Für wie blöd hältst du uns? Soll ich rausgehen, damit du Sie erschießen kannst? Komm, alter Mann. Lass die Spiele. Wo ist sie?«
»Ira, achten Sie gut auf meine Worte.« Faust sprach so, als wäre Götz gar nicht anwesend. Es schien ihr, als ob er auf einmal Schwierigkeiten mit den S-Lauten beim Sprechen hätte. So, wie sie selbst nach dem Genuss eines schweren Rotweins.
»Ich habe Leoni nicht verkauft. Jedenfalls nicht so, wie Sie denken. Sie war meine wichtigste Zeugin. Sie wissen doch, in zwei Tagen soll der Prozess steigen. Als wir vor einem Jahr herausfanden, dass Marius Schuwalow einen Psychologen suchte und dabei ausgerechnet Jan May überprüfte, wussten wir, es wäre nur noch eine Frage der Zeit, bis er hinter Leonis Identität kommen würde. Also fassten wir einen gewagten Plan. Ich bot Marius einen Handel an: der Tod seiner Tochter gegen eine Dreiviertelmillion Euro. So weit, so gut. Doch von Anfang an hatten wir natürlich nie vorgehabt, sie wirklich umzubringen. Es musste nur schnell gehen, bevor Schuwalow die Sache selbst erledigte. So wurde es eine Nacht-und-Nebel-Ak-tion, von der Leoni erst erfuhr, als sie bereits angelaufen war. Ich arrangierte einen Autounfall und schaffte sie in ein geheimes Zeugenschutzprogramm ins Ausland. Dort konnte sie sicher ihr Kind zur Welt bringen. Der Unfall war perfekt inszeniert, mit einer Fotomontage aus Archivbildern für die Akte und der Leiche einer unbekannten Obdachlosen aus der Pathologie. Selbst die Obduktion war Theater. Einer der Pathologen in der Gerichtsmedizin ist Hobbymagier. Marius' Handlanger entnahmen persönlich die Proben von der Obdachlosen. Der Pathologe vertauschte danach einfach unbemerkt die Beutel, in denen sich ein Zahn, Gewebeproben und ein Mittelfingerabdruck der echten Leoni befanden. Ein Taschenspielertrick, wie Sie sagen würden, Ira. Simpel, aber es hat funktioniert. Um Leoni, oder Feodora, wie sie ja eigentlich heißt, vor ihrem Vater zu schützen, musste alles wasserdicht sein. Nur dann würde Marius glauben, seine Tochter wäre tot und er hätte in dem Prozess nichts zu befürchten.«
»Warum hat sich Leoni nie bei Jan gemeldet?«, wollte Ira wissen. Die ganze Geschichte war in sich logisch, kam ihr aber dennoch nicht koscher vor.
»Hat sie ja. Leoni rief ihn an. Und zwar gleich am Tag des angeblichen Unfalls. Etwa dreißig Minuten danach. Sie wollte ihm sagen, dass sie nach der Geburt ihrer gemeinsamen Tochter wieder zurückkommen würde und er sich bis dahin keine Sorgen machen müsse. Aber genau das sollte er ja gerade tun. Seine Trauer musste echt sein, damit Marius beruhigt wäre. Jan May war das einzige Sicherheitsrisiko. Daher ließ ich bei Leonis Telefonat mit ihm die Leitung stören und sorgte dafür, dass sie keinen weiteren Kontakt zu ihm suchen würde. Dazu musste ich sie glauben machen, Jan wäre der wahre Grund, warum wir sie ins Ausland bringen müssten.« Mit jedem Wort machte Faust einen müderen Eindruck auf Ira. Fast so, als wäre er eine Spielzeugpuppe, bei der die Batterie zur Neige ging. Doch sie sah an seiner angespannten Haltung, wie wichtig es ihm war, jemandem die Geschichte zu erzählen. »Ich behauptete einfach, Jan hätte sie an Marius verraten. So gingen wir sicher, dass sie ihn nie wieder anrufen würde. Selbstverständlich hätte ich das nach dem Prozess wieder aufgeklärt.«
»Doch bis dahin haben Sie alles unternommen, um Jan Mays Leben zu zerstören! Sie haben ihm sogar seine Zulassung weggenommen.«
»Weil er zu viele Fragen stellte. Wie gesagt: Er war das einzige Sicherheitsrisiko.«
In seinen Augen blitzte etwas von der altbekannten Arroganz wieder auf.
»Es geht hier doch nicht nur um Jan May und Leoni Gregor. Ein gewonnener Prozess gegen Marius Schuwalow zerschlägt einen Verbrecherring und rettet Tausenden das Leben.«
»Ich glaube Ihnen kein Wort. Sie tun das nicht aus Nächstenliebe, sondern für sich. Schließlich haben Sie das Geld gestohlen und befinden sich auf der
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