Amokspiel
zog seine Handschuhe aus, um einen Kaugummi vom Alupapier befreien zu können.
»Aber vielleicht lässt du dir das vom Chef persönlich erklären.« Er gab dem Piloten ein Zeichen, und Ira verzog ihr Gesicht, als sie nach einem kurzen Knacken eine ihr allzu gut bekannte, kratzende Stimme hörte. »Ist sie an Bord?« Andreas Steuer kam ohne Begrüßung gleich zur Sache.
»Ja, sie hört mit«, antwortete Götz dem Mann, dem alle Berliner SEK-Einheiten und damit über hundertachtzig Beamten unterstanden.
»Schön. Hier ist der Lagebericht: Vor etwa dreiunddreißig Minuten hat ein Unbekannter im Studio des Radiosenders 101Punkt5 eine Besuchergruppe und den Moderator der Morgensendung als Geiseln genommen. Er bedroht seine Opfer mit einer noch nicht näher identifizierten Schusswaffe und gibt vor, mit Plastiksprengstoff ausgerüstet zu sein, den er angeblich um seinen Bauch trägt.«
»Was will er?«, fragte Ira.
»Darüber macht er zum jetzigen Zeitpunkt keine Angaben. Das Technikteam hat sich bereits einen ersten Lageüberblick verschafft. Der Tatort ist nicht einsehbar. Das Studio befindet sich im Ostflügel im neunzehnten Stock und ist komplett durch blickdichte Jalousien abgeschottet.«
»Also tappt ihr momentan in totaler Finsternis«, kommentierte Ira.
»Derzeit sind vierundfünfzig Personen im Einsatz«, überging Steuer ihren bissigen Einwand. »Ich persönlich habe die taktische Gesamtleitung übernommen. Hauptkommissar Götz führt das operative Kommando des Sondereinsatzkommandos vor Ort im Sender. Alle Absperr- und Verkehrsmaßnahmen sind weiträumig getroffen worden. Der gesamte Platz ist abgeriegelt, und der Autoverkehr wird umgeleitet. Zwei Präzisionsschützenteams haben sich jeweils mit sieben Mann in den Büros der gegenüber-liegenden Hochhäuser verteilt. Und die Soko >Cash Call< hat bereits mit kriminalpolizeilichen Maßnahmen begonnen.«
»>Cash Call«, fragte Ira. »Was ist denn das für ein bescheuerter Name?«
»Vielleicht unterlassen Sie Ihre unqualifizierten Bemerkungen und hören sich besser diese Aufnahme an, die wir um 7.35 Uhr mitgeschnitten haben.« Es gab ein weiteres Knacken in der Leitung, dann setzte eine Radioaufzeichnung in erstaunlich klarer Digitalqualität ein. Mitten im Satz des Geiselnehmers. ». Sie hören gerade Ihren größten Albtraum. In dieser Sekunde unterbreche ich dieses Radioprogramm für eine wichtige Durchsage. Ich habe soeben Markus Timber und weitere Personen in diesem Radiostudio als Geiseln genommen. Und das ist ausnahmsweise einmal kein Scherz, der ach so lustigen Morgenmannschaft von 101Punkt5. Das hier ist mein bitterer Ernst. Markus, können Sie bitte mal ans Mikrophon kommen und bestätigen, was ich sage?«
Es gab eine kurze Pause, und dann hörte man Timber, dessen bekannte Stimme jedoch völlig verändert klang. Verunsichert. Ängstlich. Und nasal. »Ja, es stimmt. Ich werde . also wir werden von ihm mit einer Waffe bedroht. Und er hat Sprengstoff an seinem .«
»Danke, das reicht fürs Erste«, unterbrach der Geiselnehmer rüde den bekannten Moderator. Er riss das Mikrophon offenbar wieder an sich und fuhr mit seiner Ansprache fort. Seine Stimme klang paradoxerweise sehr angenehm, fast freundlich. Wenn auch lange nicht so geübt wie die von Timber.
»Keine Sorge. Sie da draußen vor den Radiogeräten müssen keine Angst haben. Nur weil ich ein paar Menschen als Geiseln halte, werden Sie trotzdem den schwachsinnigen Mix aus schlechter Musik, lauen Gags und belanglosen Nachrichten serviert bekommen, den Sie von dieser Dudelwelle gewöhnt sind. Und es wird sogar ein Gewinnspiel geben. Darauf stehen Sie doch, oder?« Der Unbekannte ließ für eine Sekunde diese Frage im Raum stehen und klatschte dann in die Hände. »Also gut. Deshalb verspreche ich Ihnen am Radio Folgendes: Ich werde weiter Cash Call mit Ihnen spielen. Garantiert.
Das heißt: Ich rufe irgendjemanden in Berlin an. Und wenn Sie es sind und mit der richtigen Parole meinen Anruf beantworten - dann gibt's was zu gewinnen. So kennen Sie das ja. Und genauso wird's auch weitergehen. Allerdings wird Cash Call heute mit zwei winzigen Regeländerungen gespielt.«
Der Geiselnehmer lachte kurz auf, so als ob er sich wie ein kleines Kind auf das kommende Spiel freuen würde. Dann wurde seine Stimme leiser, als er vom Mikro weg in den Raum hinein eine andere Person ansprach, die offenbar neben ihm stand. »Hey, Sie. Wie heißen Sie?«
»Man nennt mich Flummi«, hörte man einen jungen Mann
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