Amokspiel
Minuten Wetter und Verkehr, dazwischen gute Laune und viel Musik.«
»Dieser Sachverhalt ist mir bekannt.«
»Gut für Sie. Aber vielleicht wissen Sie nicht, wie viel Arbeit hinter so einer Sendung steckt. Das alles erledigt sich nicht von alleine. Und da ich hier der Chefredakteur der Show bin, werden Sie wohl oder übel mit meiner Gegenwart vorlieb nehmen müssen. Sonst kriegt Mr. Amok im Studio nicht das, was er will. Und das dürfte nicht in Ihrem Interesse sein.«
»Da hat er Recht.«
Alle Köpfe drehten sich zu der Tür um, von wo die tiefe Stimme ertönte. Diesel registrierte amüsiert, dass Herzberg offenbar großen Respekt vor dem Zwei-Meter-Hünen hatte, der sich schnaufend in sein Büro zwängte. Jedenfalls nahm er sofort Haltung an. »Was ist hier los?«
»Alles bestens, Herr Polizeidirektor. Ich habe unten die Einsatzleitstelle verlassen und wollte mir kurz vor Ort einen Überblick über die Lage verschaffen, als wir plötzlich Rauch auf dem Gang bemerkten. Ich ging der Sache nach und stieß auf den, äh . «, Herzberg warf Diesel einen verächtlichen Blick zu, »... den Chefredakteur. Clemens Wagner.«
»Ich weiß, wie er heißt«, sagte Steuer mürrisch. »Wir haben ihn bereits durchgecheckt. Er ist sauber. Und er hat Recht. Er darf hier bleiben und sich um den Sendebetrieb kümmern.«
»Alles klar«, nickte Herzberg und sah dabei aus, als ob er gerade eine brennende Kartoffel verschluckt hätte. Diesel grinste triumphierend.
»Außerdem verlegen wir Ihre Verhandlungszentrale aus dem sechsten Stock nach hier oben.«
»Hierhin?«
»Ja. Je dichter Sie am Studio dran sind, desto besser. Sie sollen ja nicht nur verhandeln, sondern den Irren gegebenenfalls ablenken, damit das Team von Götz besser zuschlagen kann. Dafür liegt das Büro ideal. Es ist weit genug vom Studio entfernt, trotzdem hat man noch volle Sicht auf den Tatort. Hier oben sind Sie außerdem ungestört. Im sechsten Stock bauen wir gerade den kompletten Sendekomplex nach, um den Eingriff zu proben.«
»Verstehe«, murmelte Herzberg und schien dabei gar nicht glücklich, die folgenden Stunden in Reichweite einer möglichen Sprengstoffexplosion arbeiten zu müssen.
»In Ordnung«, fügte er etwas lauter hinzu, als Steuer seine rechte Hand fragend hinter sein Ohr legte. »Schön. Also beeilen wir uns. Wir haben nur noch zwölf Minuten bis zur ersten Deadline. Und zuvor muss ich Ihnen noch eine alte Bekannte vorstellen.« Diesel beobachtete erstaunt, wie der fleischige Riese mit unvermuteter Geschwindigkeit aus dem Büro polterte und wenige Augenblicke später mit einer schlecht gelaunt wirkenden, schwarzhaarigen Frau im Schlepptau wieder zurückkam, deren Hände in Handschellen steckten. »Meine Herren, bitte begrüßen Sie herzlich Frau Ira Sa-min.«
10.
Er überlegte, wen er nehmen würde. Die erste Spielrunde war die schwierigste, so viel stand fest. Wenn man davon ausging, dass etwa dreihundertdreißigtausend Menschen die Sendung in genau diesem Augenblick hörten, dann gab es noch über drei Millionen weitere Berliner, die überhaupt nichts davon wussten, dass er das Studio gestürmt, Geiseln genommen und die Spielregeln des Cash Calls geändert hatte. Keine Frage. Die erste Runde war nicht zu gewinnen. Und deshalb gab es auch keine Freiwilligen, als er danach fragte.
»Nicht so stürmisch«, rief Jan May in die Runde und ließ seinen Blick über die Gruppe an der Studiotheke wandern. Von Timber, dessen Nase endlich aufgehört hatte zu bluten, über das Pärchen, die verängstigte Cindy und ihr Maik, die sich aneinanderklammerten, zu dem Witzbold Theodor, dem Buchhaltertyp, der sichtlich unter Schock stand und seinen Sinn für Humor in einer anderen Welt zurückgelassen hatte. Der UPS-Held Manfred lehnte nach seiner kurzfristigen Bewusstlosigkeit an der mit grauem Stoff bezogenen Studiowand, unmittelbar neben der schwangeren Rothaarigen, die sich als Krankenschwester Sandra entpuppt hatte. Jan hatte ihr erlaubt, Timber mit blutstillender Watte und Manfred mit Aspirin aus dem Erste-Hilfe-Koffer des Studios zu versorgen. »Wir haben noch etwa drei Minuten, meine Damen und Herren«, fuhr er mit seinem Monolog fort. »Wie Sie hören, hat Queen gerade mit >We are the Champions< begonnen. Und sobald dieser Song ... Entschuldigung ...«, Jan drehte sich zu Flummi um, der erstaunlich gelassen die Musiklaufpläne kontrollierte, ». wie sagt ihr zu so einem Lied?«
»Mega-Hit«, antwortete Timber für Flummi. Wegen seiner
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