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Amokspiel

Amokspiel

Titel: Amokspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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stiegen wieder in ihr hoch. Du wirst doch keine Tabletten nehmen? Nein, Mami!
    »Ich habe Ihnen doch erzählt, wie Sara mich anrief. Kurz vor ihrem Tod.«
    »Ja, Sie saßen im Zug. Die Verbindung war schlecht. Aber ich glaube eigentlich nicht, dass ich mir das noch mal anhören will.«
    »Doch, doch. Warten Sie. Sie können ja gleich auflegen, aber Sie sollten wissen, was in Ihren Geiseln vorgeht. Kitty ist labil. Sie könnte Ihnen Schwierigkeiten bereiten.«
    »Also schön. Was hat es mit diesem letzten Telefonat auf sich?«
    »Ich habe den schlimmsten Fehler begangen, den eine Verhandlerin machen kann.« Ira suchte nach den richtigen Worten und fand sie nicht. Es gab nichts, was das Kommende weniger hässlich klingen ließ: »Ich habe damals die falschen Fragen gestellt. Und ich habe nicht richtig zugehört.«
    Du gehst da nicht rein, dachte sich Diesel, während er zum zweiten Mal innerhalb weniger Minuten vor einer unverschlossenen Haustür stand. Sein mehrmaliges Klingeln hatte Marta Domkowitz überhört, was ihn angesichts der lauten Rap-Musik auch nicht sonderlich verwunderte. Im Moment wünschte ein DJ aus Brooklyn seiner ExFrau alle übertragbaren Krankheiten dieser Welt an den Hals.
    »Du musst bekloppt sein«, sagte Diesel zu sich selbst, als er schließlich doch die Wohnung betrat. Später würde er leugnen, etwas anderes als Neugierde gespürt zu haben, die ihn Schritt für Schritt den Flur entlangtrieb. Tatsächlich übertönte die Angst in seinem Inneren sogar den Sprechgesang, der mit jedem Meter lauter wurde, den er dem Wohnzimmer der alten Dame näher kam. Im Gegensatz zu Leonis komplett leer geräumter Wohnung verbreitete die Einrichtung hier unten eine behagliche Gemütlichkeit. Hochflorige cremefarbene Auslegeware zog sich von Wand zu Wand und verschluckte jeden Tritt. Zwei kleine Biedermeier-Kommoden aus dunkelbraun gemasertem Nussbaumholz fielen ihm ins Auge. Wie bei ihrem Schuhwerk schien Marta Domkowitz auch bei Möbeln sehr auf Qualität zu achten. Diesel kannte sich nicht aus, schätzte aber, dass die auf Hochglanz polierten Antiquitäten echt waren. Und teuer. Er stutzte.
    Und seine Furcht wurde noch stärker. Am Ende des langen Altbauflurs lag etwas auf dem Boden, was genauso wenig in das Bild passte wie die ohrenbetäubende Hip-Hop-Musik. Beim Näherkommen vergewisserte er sich, dass er nicht halluzinierte. Vor ihm lag ein Gebiss. Und daneben ein Bündel frisch gedruckter Fünfhundert-Euro-Scheine.
    Diesel ging in die Hocke und begutachtete den Fund. Nicht anfassen!, riet er sich selbst. Was immer hier vor sich ging - er hatte keine Lust, dass man in einer fremden Wohnung seine Fingerabdrücke ausgerechnet auf einem Geldbündel fand. Und was ist das?
    Ohne seine veränderte Perspektive hätte er niemals den Rest entdeckt. Diesel blieb in der Hocke, wickelte sich ein Taschentuch um die Hand und zog den zerfetzten Schuhkarton unter dem Schrank hervor. Die Pappschachtel sah aus, als hätte jemand einen Feuerwerkskörper darin gezündet. Der Deckel war nicht mehr existent, die Seiten aufgerissen, der Inhalt lag durcheinander und verstreute sich auf dem Boden, als er die Box zu sich heranzog. Die Ausweise stachen zwischen den anderen Papieren hervor. Diesel löste das Gummi, das die beiden Dokumente zusammenhielt. In der gleichen Sekunde stoppte die Musik. Leider nur für wenige Sekunden. Dann ging ein neuer Song los. Diesmal noch heftiger. Der Backgroundchor wimmerte mehr, als dass er sang.
    Diesel öffnete den ersten Pass. Er hatte es wegen der unverständlichen Schrift auf dem brüchigen Einband schon vermutet. Der Inhaber war ukrainischer Staatsbürger. Und hieß dem Foto nach Leoni Gregor. Was hat das zu bedeuten?, schoss es ihm durch den Kopf. Leonis Unfall ist getürkt, die Geiselnahme im Studio inszeniert, und sie kommt aus dem Ostblock? Oder aus Deutschland! Er hatte den zweiten Reisepass aufgeschlagen. Er sah genauso echt aus wie der andere, nur dass dieser hier in Berlin ausgestellt war. Diesel griff sich zwei Briefe, die genau vor seinem rechten Lederstiefel lagen. Auf dem einen stand »Papa«. Auf dem anderen »Jan«. Er öffnete den letzteren und überflog die erste Zeile:
    Mein Liebster, wenn Du das hier liest, wird sich die Welt für Dich verändert haben. Du wirst denken, ich hätte Dich die ganze Zeit angelogen. Vielleicht hast Du schon über die schlimmen Dinge, die Verbrechen, gehört, die ...
    Moment! Er unterbrach die Lektüre. War da etwas im Wohnzimmer?
    Diesel stand

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