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Amokspiel

Amokspiel

Titel: Amokspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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auf und lugte vorsichtig um die Ecke. Leer. Nur eine weitere Ansammlung von Antiquitäten, eine Ledercouchgarnitur und ein Ohrensessel, der ihm den Rücken zukehrte. Aber keine Spur von Marta Domko-witz.
    Rechts neben der Tür zum Wohnzimmer entdeckte Diesel eine moderne Mehrfachsteckdosenleiste. Er trat mit dem Fuß auf die rote Betriebslampe, und augenblicklich hörte der Krach auf. Diesel drehte sich wieder um und sah zum Wohnungseingang. Sein Chefredakteursgehirn versuchte, aus allen Ereignissen der letzten Minuten eine logische Geschichte zusammenzusetzen. Dazu hielt er einen inneren Dialog mit sich selbst, während er langsam zur Tür zurückging.
    Also gut, nehmen wir an, Leoni lebte ein Doppelleben mit mindestens zwei Existenzen. Selbst ihrem angehenden Verlobten sagte sie nichts. Wieso? Keine Ahnung.
    Sie ging davon aus, dass man ihre Wohnung durchsuchen würde.
    Also hat sie Dreck am Stecken?
    Vielleicht! Sie schreibt von »schlimmen Dingen«. Vielleicht hat sie sogar selbst ihr Appartement gesäubert, bevor sie verschwand. Wohin?
    Keine Ahnung. Das will Jan ja auch herausfinden. Oder man hat sie getötet, am Tatort die Beweise vernichtet und etwas übersehen? Aber was? Die alte Dame hier unten natürlich, du Idiot. Sie war nett zu Fremden. Sogar dich Penner hat sie angelächelt. Also hat Leoni ihre Wertsachen nicht bei sich aufbewahrt, sondern Marta Domkowitz anvertraut? Das Geld, die Aus weise . ?
    Ja, aber wieso ist der Karton zerfetzt? Warum lag das Geld auf dem Teppich?
    Vielleicht steht die Antwort im Brief? Ja, genau. Der Brief, Blödmann. Lies weiter!
    Doch er sollte nicht mehr dazu kommen. Diesels Gedanken wurden abrupt durch ein neues Geräusch unterbrochen. Genau genommen war es schon die ganze Zeit da gewesen. Der Background-Chor hatte gar nicht gewimmert. Das war jemand anderes.
    Diesel stürmte zurück ins Wohnzimmer. Rannte zu dem Ohrensessel. Um ihn herum. Und verzog angewidert sein Gesicht.
    Marta Domkowitz saß in sich zusammengesunken in dem Sessel und öffnete den Mund wie ein Fisch. Der Anblick ihres blutüberströmten Gesichts war selbst für einen Horrorfilm-gewohnten Kinogänger wie Diesel nur schwer zu ertragen, was vor allen Dingen an dem Kugelschreiber lag, der in ihrem rechten Auge steckte. Scheiße, Scheiße, Scheiße ... Diesel wusste noch nicht einmal, ob er den Stift rausziehen sollte oder ob er damit alles schlimmer machte. Er griff zu seinem Handy, um Hilfe zu holen. Doch er hatte es noch nicht einmal aufgeklappt, da rutschte Marta Domkowitz von dem Sessel herunter und blieb reglos auf dem Perserteppich liegen. Er drehte sie auf den Rücken und fühlte ihren Puls. Nichts. Tot. Verdammt! Und jetzt?
    Dunkel erinnerte er sich an seinen Erste-Hilfe-Kurs in der Fahrschule. Herzmassage! Er legte die Hände übereinander und presste auf ihren Brustkorb. Eins, zwei, drei, vier .
    Jetzt beatmen. Er hielt ihr die Nase zu, öffnete ihren Mund und legte seine Lippen auf die ihren. Irgendetwas in ihm registrierte noch, dass die alte Frau sich hübsch gemacht haben musste für ihren Besuch. Sie trug blassroten Lippenstift.
    Fünf, sechs, sieben, acht... Dann wieder Beatmung. Bei siebzehn begann Marta zu zucken. Bei achtzehn hustete sie. Bei neunzehn verzichtete Diesel auf die weitere Beatmung. Er hatte es geschafft. Marta lebte! Wenn auch nur noch für drei Sekunden. »Nicht schlecht.«
    Diesel fuhr herum und sah ein Gesicht, das er nur zu gut kannte.
    »Aber leider völlig umsonst.«
    Die fast lautlose Kugel traf die alte Frau mitten in die Stirn.
    Danach spürte auch Diesel einen brennenden Schmerz. Gefolgt von einer erlösenden Dunkelheit.
    Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Sogar in Bezug auf seinen Selbstmord. Bei der Auswahl der Methode, so hatte Ira die Erfahrung gemacht, griffen die meisten zu den Mitteln, die ihnen am besten vertraut waren. Polizisten kennen sich mit Waffen aus, Ärzte und Apotheker mit Medikamenten. Selbstmörder, die in der Nähe von Bahnhöfen leben, springen häufiger vor Züge als solche mit Wohnsitz am Meer. Deren Angst vor dem Ertrinken wiederum ist weniger groß als die seelisch Kranker, die die letzten Jahre ihres Lebens in einem anonymen Hochhaus gefristet haben. Solche Personen wählen meistens den Sprung vom Dach für ihre letzte Reise. Auf der Polizeischule hatte Ira auch die geschlechtsspezifischen Unterschiede lernen müssen. Während Männer die so genannten »härteren« Methoden wie Erhängen oder Erschießen bevorzugen, greifen Frauen zu den

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