Amokspiel
Kitty mit der Waffe auf ihre Schulter. »Sie wollen etwas verbergen. So wie Kitty sich versteckt hielt, soll auch die Wahrheit nicht ans Licht. Versteht ihr? Sie wollen mich mundtot machen. Aber warum? Das ist doch die Frage: Was ist mit Leoni passiert?«
»Die ist tot!«, rief Timber.
Jan winkte nur ab und sah nacheinander jedem seiner Komplizen in die Augen.
»Sandra, Maik, Cindy, Theodor! Hört mir zu: Ihr kennt die Fakten. Ihr habt mir bis hierhin geholfen. Ich bitte euch jetzt um einen letzten Gefallen. Gebt mir noch eine Stunde. Nur noch einen Cash Call. Wenn die mich dann immer noch weitermachen lassen - wenn ich euch bis dahin keinen schlüssigen Beweis für Leonis Leben präsentieren kann -, dann dürft ihr alle gehen.«
»Das ist doch hirnverbrannter Irrsinn!« Maik schlug mit der flachen Hand auf die Theke. Seine »Freundin« Cindy, die im wahren Leben nur auf Frauen stand, stimmte ihm wortlos zu. »Warum sollten die Bullen was an ihrer Taktik ändern? Was macht diese Stunde denn jetzt noch für einen Unterschied?«
»Das Mädchen hier macht den Unterschied!« Jan stieß Kitty erneut an. »Ira Samin ist persönlich betroffen. Wenn wir mit Kitty den nächsten Cash Call spielen, wird sie alle Hebel in Bewegung setzen, um Leoni zu finden. Nichts ist stärker als die Kraft einer Mutter und nichts .« Was ist das?
Jan drehte sich mitten im Satz um und sah zu den Brandschutzjalousien vor den Fenstern. Was war da los? Er spürte das Vibrieren erst in den Füßen. Dann klirrten die CDs in dem Regal neben der Studiotür. Schließlich füllten die anschwellenden Schallwellen den gesamten Raum aus. Selbst wenn er es gewollt hätte - nun konnte er nicht mehr weiterreden. Das Dröhnen des Hubschraubers da draußen war so laut, dass es unangenehm war. Nein, schlimmer. Es tat weh! Und die Intensität nahm sogar noch zu. Jan glaubte, eine Winde in seinem Ohr zu spüren, die mit Brachialgewalt seine Trommelfelle spannte. Er schrie auf, ließ die Waffe fallen und hielt sich die Ohren zu. Im Umdrehen bekam er mit, dass alle anderen es ihm gleichtaten. Keiner würde nach der Pistole greifen. Niemand würde fliehen. Alle litten Höllenqualen. Jan war sich sicher: Würde er seine Finger aus den Gehörgängen ziehen, in die er sie gerade mit aller Gewalt presste, sie wären sicher blutverschmiert. Der Schmerz war einfach zu groß.
37.
Die ersten zwanzig Sekunden lief alles wie am Schnürchen. Dann nahm das seinen Lauf, was später im Polizeibericht als »Tragödie« festgehalten wurde. Just in dem Moment, in dem der Helikopter seine Schallkanone auf das Studio gerichtet hatte, öffnete Götz mit der Sprengladung die Tür zum Erlebnisbereich. Er stürmte in die kleine Studioküche. Trotz des aktivierten Hörschutzes in seinem Helm fühlte er einen Druck auf seinen Ohren, so als stünde er bei einem Rockkonzert genau neben den Boxen. Diese Kanone war einfach unglaublich!
Mit einem ähnlichen Gerät war das Kreuzfahrtschiff Queen Mary 2 ausgerüstet, um moderne Seepiraten zu vertreiben, die es vor allem vor den Küsten Afrikas gab. Die in dem Hubschrauber installierte Version war zwar eine Nummer kleiner, aber auch diese Lautstärke konnte man eigentlich nur hinter der Lärmquelle ertragen. Götz klappte einen Mini-Computer auf, der an seiner kugelsicheren Weste hing. Auf dem Monitor konnte er das Voranschreiten der Arbeiten von Team A im ersten Stock verfolgen.
»Sichere den ZGR«, brüllte er in das Mikro. Bei dem Lärm war eine akustische Verständigung ausgeschlossen, aber seine Stimme wurde von einem Sprachcomputer als Textfile zu den anderen Teams und in die Einsatzleitung geschickt.
Mit zwei Schritten war er in dem Technikraum. Eigentlich nur, um sich zu vergewissern, dass von hier aus keine Gefahr zu erwarten war. In zwei Sekunden würde Onas-sis die Deckenplatte entfernen und mit einer größeren Kamera das gesamte Studio einfangen. Anderthalb Sekunden später, sobald Götz sich auf dem Monitorbild einen Überblick über die Lage im Studio und Jans Position verschafft hatte, würde er sich seine Gasmaske aufsetzen und Team B aktivieren.
Sobald die Blendgranate gezündet war, war sein nächster Schritt, Jan zu überwältigen, während Onassis ihm von oben Feuerschutz gab für den Fall, dass einige der Geiseln gefährlich waren. Sollte es erforderlich sein, würde Götz Jan mit einem Schlagring die Halswirbel zwischen C2 und C3 zerschmettern, ohne dabei das Rückenmark zu durchtrennen. Damit wäre dieser gelähmt
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