Amokspiel
Dieser Mann hier . «, er deutete auf das Gesicht des toten Onassis, »... hat Familie und Kinder. Und der hier . «, er hastete zur anderen Trage, ». der wollte heute Abend mit seiner Freundin zum Bowling gehen. Ich darf jetzt die Angehörigen anrufen und ihnen sagen, dass beide heute nicht mehr nach Hause kommen werden. Und auch morgen nicht. Nie wieder. Weil eine heruntergekommene Alkoholikerin nach ihren eigenen Regeln spielen musste.«
Er spuckte auf den Boden und winkte zwei Polizisten zu sich heran, die den Eingang kontrollierten. »Schaffen Sie mir diese Person aus dem Blickfeld, und bringen Sie sie auf die Wache.«
Die Männer nickten eifrig, und Ira hätte sich nicht gewundert, wenn sie noch »Zu Befehl, Sir« gesagt und die Hacken zusammengeschlagen hätten. Stattdessen hörte sie nur ein Knacken wie bei einem Reißverschluss. Dann waren die Plastikhandschellen um ihre Handgelenke festgezogen, und sie konnte abgeführt werden.
39.
Die schwarzen Breitreifen quietschten wie neue Turnschuhe auf frisch gebohnertem Linoleum, als der schwere Mercedeskombi die engen Kurven des Parkhauses nach oben rauschte. Ira saß im Fond, den müden Kopf an die getönten Scheiben gelehnt. Sie verließ den Tatort in einer ähnlichen Verfassung, wie sie gekommen war. Ausgelaugt, vom Alkoholentzug gezeichnet und mit gefesselten Händen. Steuer war wenigstens so umsichtig und lieferte sie nicht der Presse aus. Vermutlich fürchtete er die zu erwartenden Schlagzeilen. Sicher würde es auch ein schlechtes Licht auf den SEK-Leiter werfen, wenn die Verhand-lungsführerin wie eine Schwerverbrecherin aus dem MCB-Gebäude geführt wurde. Um sich lästige Erklärungen zu ersparen, ließ er sie quasi durch den Hinterausgang aufs nächste Revier schleusen. »Gibt's hier was zu trinken?«, fragte sie den jungen Kri-minalbeamten, der die Limousine fuhr. Ihr Anschnallgurt spannte, als sie sich nach vorne lehnen wollte. »Das ist keine Stretchlimo«, antwortete er nicht unfreundlich. »Hier gibt's leider keine Hausbar.« Sie hatte beim Einsteigen nicht auf sein Äußeres geachtet und konnte jetzt nur seine braunen Augen und das dazu passende Paar Brauen im Rückspiegel erkennen. Zu wenig Anhaltspunkte, um seinen Charakter einzuschätzen. »Vielleicht können wir ja kurz irgendwo halten?«, fragte sie scherzhaft. »Auf dem Revier gibt's keine Cola light im Automaten.«
Ira lehnte sich wieder zurück, als der Beamte eine scharfe Rechtskurve fuhr. Wenn ihr Orientierungssinn sie nicht im Stich ließ, fuhren sie gerade die Leipziger Straße Richtung Osten.
Bieg doch einfach an der nächsten Ampel rechts ab, dann bin ich in zehn Minuten zu Hause, dachte sie. Dann erledigt sich das Problem mit mir von selbst. Nehm ich die Kapseln halt ganz normal. Mit Wasser. Ira machte sich keine Illusionen. Selbst wenn sie mit einer halben Flasche Wodka ihren Kopfschmerzpegel etwas absenken würde, wäre sie weiterhin machtlos. Sie war nicht mehr im Spiel. Von Steuer persönlich auf die Strafbank geschickt. Sie konnte Kitty nicht mehr helfen. Ira sah rechts das imposante Bundesratsgebäude vorbeifliegen. Die Tachonadel des Mercedes zeigte konstant Tempo neunzig an. Eine ungewohnte Geschwindigkeit für die Leipziger Straße um diese Uhrzeit. Ohne die Vollsperrung würde der Wagen hier mit allen anderen Pendlern im Stau der Rushhour stehen.
Als der Kombi in einer scharfen Linkskurve in die Friedrichstraße einbog, schwappte eine Welle der Übelkeit in Ira hoch. Sie musste würgen und war immer noch am Schlucken, als der Kripobeamte abrupt auf die Bremse trat und scharf rechts in eine Tiefgarageneinfahrt schoss. »Was wird das denn jetzt?«, fragte sie matt. Sie hörte das Klacken der automatischen Türverriegelung. Der Wagen drehte sich mit ausgeschalteten Scheinwerfern die gewundene Abfahrt des dürftig ausgeleuchteten Parkhauses hinunter. Erst im dritten Untergeschoss blieben sie endlich stehen.
»Wo sind wir hier?« Ira erhielt wieder keine Antwort. Sie hob die gefesselten Hände und wischte sich die feuchte Stirn an ihrem Unterarm ab. Dabei war sie sich nicht sicher, ob der Schweiß von ihrer Angst oder vom Entzug herrührte. Das Gleiche galt für das Zittern ihrer Finger, mit denen sie die Tür öffnen wollte. Wo immer wir hier sind. Das nächste Revier ist das bestimmt nicht, dachte sie. Gleichzeitig war sie merkwürdig beruhigt, denn die Wagentür war anstandslos nach außen aufgeschwungen. Der Beamte, der bereits ausgestiegen war, hatte das Auto nicht
Weitere Kostenlose Bücher