Amore siciliano
doch ziemlich gut Englisch, die kann einem doch zur Not weiterhelfen«, tröstete ich. Beim Namen der schönen De-Vivo-Tochter leuchtete Oles Gesicht kurz auf.
»Ja, sie ist wirklich nett«, bekräftigte er. »Schade, dass sie jetzt weg ist.«
»Aber doch nur für ein paar Tage.«
Michele stellte ein Glas vor mich und goss mir aus der bereits geöffneten Flasche ein. Dann ließ er die Flasche vor mir stehen. Ich prostete Ole und dem älteren Herrn zu. »Cin cin!«
Der Herr nickte kurz und hob sein Glas unmerklich an, ohne jedoch einen Schluck zu nehmen. Und ohne mein freundliches Lächeln zu erwidern.
»Ich dachte immer, die Italiener wären so kontaktfreudig«, raunte Ole mir zu. »Der scheint aber eher von der unnahbaren Sorte zu sein.«
»Vielleicht erwartet er, dass wir uns vorstellen?«, riet ich und probierte meine Italienischkenntnisse aus: »Buongiorno, sono Alexandra. Und das ist mein Kollege Ole. Wir sind aus Berlin und drehen hier einen Dokumentarfilm. Sind Sie auch zu Gast auf Sizilien?«, fragte ich.
Der Signore sah mich an, als käme ich von einem anderen Stern. Dann sagte er etwas zu Michele, was ich so schnell nicht verstand, und beide lachten.
»Dunque dunque, nicht ganz, Giuseppe ist so etwas wie ein Familienmitglied«, erklärte Michele. »Seine Hütte steht nicht weit von hier am Meer. Er arbeitet auf einemNachbargut. Dies hier«, Michele machte eine ausladende Geste, »ist quasi sein Wohnzimmer.«
Der ältere Herr nickte höflich und prostete uns zu, jedoch erneut ohne einen Schluck zu trinken. Er sah ganz so aus, wie man sich einen alten Sizilianer vorstellte, ein Urgestein mit von Sonne und Leben gegerbter Haut. Nun gut, vielleicht hätte ich mir denken können, dass er kein Gast war.
Ich kannte diese Art Wohnzimmergäste aus dem »Highway« und mochte sie. Meist waren es alleinstehende ältere Herren, die sich zu Hause langweilten und, statt fernzusehen, lieber in einer gemütlichen Eckkneipe dem Treiben der Nachbarschaft zuschauten. Allerdings gab es hier eigentlich nicht besonders viele Nachbarn, I Moresani lag ziemlich weit ab vom Schuss, wie ich auf der Herfahrt festgestellt hatte.
»I hope this will become our living room in the next weeks as well«, versuchte Ole sich auf Englisch, was Michele für Giuseppe übersetzte.
»Vedremo, wir werden sehen«, antwortete der, und darauf wussten wir erst einmal nichts zu antworten.
»Ich hätte gedacht, dass die Leute sich mehr dafür interessieren würden, dass wir vom Film sind«, raunte Ole mir zu. »Aber denen hier scheint das eher wurscht zu sein.«
»Schscht, nicht so laut – wer weiß, nachher verstehen die doch ein paar Worte Deutsch.«
Aber Giuseppe und Michele hatten offenbar Wichtigeres zu tun, als uns zu belauschen. So plauderte ich ein wenig mit Ole über das Wetter, den Ätna, Dieter, und wirwaren gerade beim Thema Limoncello angekommen, als ein weiterer Gast den Raum betrat.
Michele hatte sich mittlerweile zu Giuseppe an den Tresen gesetzt. Offenbar erwartete er keinen Besuch mehr um diese Uhrzeit. Es war mitten in der Woche, und wir waren auf dem Land. Wer sollte jetzt noch seinen Weg hierher finden? Aber der junge Mann, der nun durch die Tür kam, verschlug mir für einen Augenblick die Sprache. Donnerwetter, der sah ja umwerfend aus: ungefähr Ende zwanzig, groß, dunkle volle Locken, die ihm verwegen in die Stirn fielen. Unter seinem zausigen Pony blitzte ein Paar faszinierend grüner Augen hervor. Er trug einen Dreitagebart, und am Kinn hatte er ein Grübchen, das seinen sehr maskulinen Gesichtszügen etwas unerwartet Weiches gab. An seiner schlanken Figur sah man, dass er entweder körperlich arbeitete oder viel Sport trieb. Ich musste mich zusammenreißen, um meinen Blick von seinen sehnigen Unterarmen abzuwenden.
Wo um alles in der Welt kam denn hier so ein Mann her? Vom Laufsteg in Mailand? Aus dem Olympiatrainingslager? Aus einem Werbeplakat für ärmellose Karohemden?
»To’, chi si vede! Paolo, come stai?«, rief Michele dem Fremden entgegen. »Komm, setz dich zu uns!«
Paolo? Den Namen hatte ich doch schon einmal gehört!
»Ich wette, das ist der einsame Olivenbauer von nebenan, von dem Simona erzählt hat«, sagte Ole. »Der mit den Wachteln.«
Richtig: Der Biobauer und Geologe vom Nachbarhofhieß Paolo. Das war sicher kein Zufall, das musste er sein. Ich betrachtete ihn neugierig.
Er bedachte uns mit einem flüchtigen Nicken, ging hinter den Tresen, holte sich ein Glas und setzte sich dann neben
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