gesellt, aber Malte wollte endlich mal wieder ein bisschen Zeit mit mir allein verbringen. Er war heute richtig anhänglich, das kannte ich von zu Hause gar nicht.
In Berlin gingen wir oft unsere eigenen Wege. Das lag auch daran, dass wir sehr unterschiedliche Freundeskreise hatten, immerhin gab es ja ein paar Jahre Altersunterschiedzwischen uns. Doch hier waren wir einerseits aufeinander angewiesen, andererseits bedeutete Zweisamkeit auch immer, sich vom Team abzusondern. Ich genoss unseren Spaziergang, seinen Arm um meine Schultern, und dennoch hätte ich nichts gegen ein Glas Wein mit den Kollegen an der Bar gehabt. Allerdings war es heute sicher besser, wenn ich Paolo nicht in Gegenwart von Malte begegnete.
Ich wählte daher für unseren nächtlichen Spaziergang bewusst eine Strecke, die in die entgegengesetzte Richtung von Paolos Hof führte. Maltes Stimmung war nach diesem erfolgreichen Drehtag endlich etwas besser, das wollte ich nicht gefährden.
Als wir von unserem Spaziergang zurückkamen, war es ruhig auf I Moresani. Die belgische Frauengruppe war abgereist, unsere Kollegen offenbar schon zu Bett gegangen und nur Michele saß noch an der Bar über seinen Papieren. Wir wünschten ihm eine gute Nacht und stiegen die Treppe hinauf zu unseren Zimmern.
»Wir sollten mal mit Dieter über die Zimmereinteilung sprechen«, merkte Malte an. »Ist doch total albern, dass wir nicht zusammen schlafen können.«
»Du weißt doch, er will nicht, dass die anderen sich benachteiligt fühlen, weil wir als Paar zusammen wohnen und sie ihre Partner zu Hause lassen mussten.«
»Ole ist sicher froh, dass er seine On-off-Sarah mal ein paar Wochen nicht sieht«, lästerte Malte. »Er hat ja sowieso nur Augen für die Wirtstochter.«
Ich gab ihm einen Kuss auf die Wange. »Schlaf gut!«
Malte zog mich an sich und küsste mich lang. »Oleschnarcht«, meinte er mit einem bedauernden Blick auf meine Tür, dann ging jeder von uns auf sein Zimmer. Paula war noch wach und las in einem Buch. Ich wusch mich, putzte meine Zähne und nahm den Laptop mit ins Bett. Charly hatte geantwortet:
From:
[email protected]To:
[email protected]Date: March 28th, 22:19h
Subject: Re: Re: Wie war’s?
Herzallerliebste Alex,
ich muss doch wohl sehr bitten: Witzig und fernsehgeil zu sein reicht noch längst nicht, um eine echte Charly zu sein! Ich möchte meine Unersetzbarkeit auf keinen Fall in Frage gestellt wissen, zumal überfahren zu werden sicher ein angenehmer Tod gewesen wäre im Vergleich zu einem Leben mit Sandro!
Vielleicht könnte sich diese Carla aber einmal wirklich nützlich machen und Dich von Malte, dem Langweiler, weg und hin zu dem sehr interessant klingenden Nachbarn führen. Bella, vergiss nicht, Du bist jung, attraktiv und auf Sizilien! Ich sage nur: Carpe diem.
C.
Tja, in Charlys Augen war alles ganz einfach: Traf man einen attraktiven Mann wie Paolo, ließ man seinen Gefühlen freien Lauf, verknallte sich und angelte sich das Objekt der Begierde, selbst wenn man dafür eine festeBeziehung kaputtmachte. Ich fand diesen Preis zu hoch. Malte und ich hatten gerade ein paar Schwierigkeiten, okay, aber deswegen konnte ich doch nicht gleich aufgeben und mich umorientieren. Zugegeben, Paolos Anblick war eine Klasse für sich, und wenn er mich ansah, wie neulich, in meiner kaputten Hose – wow, da konnten einem die Knie schon weich werden.
Doch mit Malte teilte ich immerhin meinen Alltag, er gab mir Sicherheit und Geborgenheit. Außerdem – wer sagte denn, dass Paolo ausgerechnet auf jemanden wie mich gewartet hatte? Sicher hatte er irgendwo eine Freundin, von der wir noch nichts mitbekommen hatten. Vielleicht war es sogar Simona? Dass sie ihn mochte, war ja nicht zu übersehen.
Unnötige Gedankenspiele. Ich schüttelte den Kopf, klappte den Laptop zu und stellte ihn weg. Ich war schließlich nicht auf eine solche Weise an Paolo interessiert, ich fand ihn einfach nur sehr gutaussehend, nett und ein wenig geheimnisvoll. Die Sache in Messina, diese unheimlichen Männer – irgendetwas hatte er zu verbergen, das war sicher. Über diesen Gedanken fiel ich in einen tiefen kurzen Schlaf.
Kapitel 9: ATTENZIONE
Am nächsten Tag fuhren wir nach Messina, wieder nicht zum Ätna. Ich war enttäuscht. Stattdessen wollte Dieter Stimmung und Atmosphäre der sizilianischen »Großstädte« einfangen. Er wollte klären, ob die Frage »Bio oder nicht Bio?« auch für die Stadtbewohner eine